Leitsatz (amtlich)

Beauftragt ein gesetzlicher Vertreter nach § 11b Abs. 1 VermG, dem auch die Ermittlung der Erben des Eigentümers übertragen worden wird, hierzu einen gewerblichen Erbenermittler, kann diesem die Einsicht in Nachlassvorgänge möglicher Erben nicht mit der Begründung verwehrt werden, er habe kein eigenes berechtigtes oder rechtliches Interesse hieran.

 

Normenkette

FamFG § 13 Abs. 2, § 357 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 04.05.2010; Aktenzeichen 61/29 VI 134/50)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Charlottenburg vom 4.5.2010 - 61/29 VI 134/50 - wird aufgehoben.

Das AG wird angewiesen, der Beteiligten Einsicht in die Nachlassakte entsprechend dem Antrag vom 3.2.2010 zu gewähren.

 

Gründe

I. Die Beteiligte betreibt gewerblich Erbenermittlungen. Am 12.11.2007 wurde sie von Rechtsanwalt ... ermächtigt, bei der Ermittlung der Erben nach ... mitzuwirken. Rechtsanwalt ... l war am 22.2.2000 durch den Landkreis ... zu dessen gesetzlichen Vertreter gem. § 11b Abs. 1 S. 1 VermG bestellt worden.

Die Beteiligte hat am 3.2.2010 das AG um Auskunft gebeten, ob dort Nachlass- oder Testamentsvorgänge nach ... geb. ... anhängig seien. Sie sei eine Nichte von ... Im Erfolgsfall hat sie beantragt, eine einfache Kopie des Erbscheins bzw. des Testaments nebst Eröffnungsprotokoll, eine Kopie des Erbscheinsantrags sowie die Sterbefallanzeige zu übersenden.

Das AG hat den Antrag mit der Beteiligten am 15.5.2010 zugestelltem Beschluss vom vom 4.5.2010 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 3.6.2010 eingegangene Beschwerde vom 2.6.2010, der das AG nicht abgeholfen hat.

II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, § 63 Abs. 1 FamFG. Beschwerdeführerin ist die Beteiligte, weil das AG ihr und nicht dem Rechtsanwalt ... die Einsicht in die Akten verwehrt hat. Die Regelungen in § 10 Abs. 2 FamFG, wonach die Vertretung eines Beteiligten im Verfahren nur bestimmten Personen übertragen werden kann, sind deshalb von vornherein nicht einschlägig. Die Beteiligte wird durch die Verweigerung des AG, ihr Akteneinsicht zu gewähren, in ihren Rechten beeinträchtigt und ist damit beschwerdebefugt, § 59 Abs. 1 FamFG.

Die Beschwerde ist auch begründet. Gemäß § 13 Abs. 2 FamFG kann an dem Verfahren unbeteiligten Personen Akteneinsicht nur gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen. Berechtigtes Interesse ist jedes vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art, das sich nicht auf vorhandene Rechte zu gründen oder auf das Verfahren zu beziehen braucht (KG, Beschl. v. 24.1.2006 - 1 W 133/05 -, FGPrax 2006, 122, 123; OLG Hamm, Beschl. v. 12.8.2008 - 15 Wx 8/10 -, Juris). Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, kann in eine eröffnete Verfügung von Todes wegen Einsicht nehmen, § 357 Abs. 1 FamFG. Ein rechtliches Interesse ist enger als ein berechtigtes Interesse (Jennissen, in: Prütting/Helms, FamFG, § 13 Rz. 23). Es setzt ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraus (KG, Beschl. v. 20.12.1977 - 1 W 1726/77 -, Rpfleger 1978, 140).

Gewerbliche Erbenermittler haben nach obergerichtlicher Rechtsprechung weder ein eigenes berechtigtes noch ein rechtliches Interesse in vorgenanntem Sinn (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Frankfurt, FGPrax 2000, 67; OLG Schleswig OLGReport Schleswig 1999, 109; OLG Bremen, ZEV 1999, 322). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass ein Erbenermittler im Auftrag eines Nachlasspflegers tätig wird, der auch zur Ermittlung der unbekannten Erben bestellt worden ist. Ein solcher Nachlasspfleger kann das zur Einsicht in Personenstandsurkunden ebenfalls erforderliche rechtliche Interesse, vgl. § 61 Abs. 1 S. 3 PStG a.F., jetzt § 62 Abs. 1 S. 2 PStG, haben (OLG Frankfurt; OLG Bremen, jeweils a.a.O.). Weist der Erbenermittler seine Bevollmächtigung durch den Nachlasspfleger nach und ergeben sich auch aus der zur Legitimation des Nachlasspflegers vorgelegten Bestallungsurkunde keine Einschränkungen hinsichtlich der Art der Erbenermittlung, ist das rechtliche Interesse in der Person des Erbenermittlers in gleichem Umfange gegeben, wie es für den ihn beauftragenden Nachlasspfleger besteht (OLG Frankfurt, a.a.O.).

Diese von dem Senat geteilten Grundsätze können auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen werden. Dass die Beteiligte von einem gesetzlichen Vertreter nach § 11b Abs. 1 VermG und nicht von einem Nachlasspfleger mit der Erbenermittlung beauftragt worden ist, ändert hieran nichts. Der gesetzliche Vertreter ist berechtigt, die unbekannten Erben des Erblassers in allen Angelegenheiten, die den Vermögenswert betreffen, wie ein Auftragnehmer zu vertreten, § 11b Abs. 1 S. 5 VermG. Die Befugnisse des gesetzlichen Vertreters entsprechen insoweit denen eines Nachlasspflegers. Im Rahmen der gesetzlichen Ver...

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