Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anwendbarkeit von § 522 Abs. 2 ZPO; Überprüfung erstinstanzlicher Vertragsauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung von § 522 Abs. 2 S. 1 Nummer 1 ZPO ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen die fehlende Erfolgsaussicht im Sinne einer offensichtlichen Unbegründetheit ins Auge springt.

2. Gegenüber der tatrichterlichen Auslegung eines Vertrages ist das Berufungsgericht darauf beschränkt zu prüfen, ob das Erstgericht gegen Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze verstoßen hat.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; ZPO §§ 513, 522 Abs. 2, § 546

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 02.06.2003; Aktenzeichen 34 O 677/2)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 2.6.2003 verkündete Urteil des LG Berlin – 34 O 677/02 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Senat hält die Berufung des Beklagten nach wiederholter und eingehender Beratung einstimmig für aussichtslos. Die Gründe hierfür sind dem Beklagten mit der am 15.8.2003 zugestellten Verfügung vom 11.8.2003 ausführlich dargestellt und auf die Gegenvorstellungen des Beklagten vom 2.9.2003 am 25.9.2003 nochmals erläutert worden.

Die gegen die Anwendung der Vorschrift des § 522 Abs. 2 ZPO vorgebrachten grundsätzlichen Erwägungen des Beklagten teilt der Senat auch nach erneuter Beratung der Sache nicht.

Zunächst sieht der Senat Anlass zu dem Hinweis, dass mit dem hier eingeschlagenen Verfahrensgang keineswegs eine Abwertung des Vorbringens des Beklagten oder seines Prozessbevollmächtigten in der Weise einhergeht, dass es „… quasi auf die Stufe querulatorischen Vorbringens gestellt” wird. Es kommt darin lediglich eine von der Auffassung des Beklagten abweichende rechtliche Bewertung der Ereignisse zum Ausdruck, die auch schon das LG in der angefochtenen Entscheidung vertreten hat. Die Möglichkeit, einen bestimmten Lebenssachverhalt rechtlich unterschiedlich zu bewerten, gehört zum juristischen Alltag und enthält kein Werturteil hinsichtlich der Persönlichkeit der Beteiligten.

Es entspricht auch nicht der Meinung des Senats, die Anwendung von § 522 Abs. 2 ZPO könne von den Gerichten nach Gutdünken angewandt werden und so „… zum willkürlichen Instrument zur Beschneidung von möglicherweise aussichtsreichen Revisionen degenerieren”.

Der Senat hat bereits in der Verfügung vom 25.9.2003 darauf hingewiesen, dass die Vorschrift den Gerichten kein Auswahlermessen darüber eröffnet, in welchen Fällen sie entspr. verfahren wollen. Vielmehr sind sie verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zu entscheiden. Das ist der Fall, wenn das Berufungsgericht auf Grund des Akteninhalts zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung unbegründet ist (BVerfG, Beschl. v. 5.8.2002 – 2 BvR 1108/02, NJW 2003, 281; OLG Celle v. 6.6.2002 – 2 U 31/02, OLG-Report Celle 2003, 9; OLG Rostock v. 11.3.2003 – 3 U 28/03, MDR 2003, 1073). Eine Beschränkung auf Berufungen, die „… auf den ersten Blick, d.h. offensichtlich unbegründet sind”, sieht das Gesetz nicht vor.

Zum Prüfungsumfang ist erneut darauf hinzuweisen, dass das angefochtene Urteil gem. § 513 ZPO durch das Berufungsgericht nur darauf zu überprüfen ist, ob dem Erstgericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist, oder ob auf Rechtsfehler beruhende Irrtümer in der Tatsachenfeststellung die Entscheidungsfindung beeinflusst haben.

Beides vermag der Senat nach umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht festzustellen.

Auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung hat das LG den hier im Streit befindlichen Mietvertrag vom 28.4.1981 zu Recht dahin ausgelegt, dass auf der Mieterseite die drei im Vertrag namentlich aufgeführten Personen Vertragspartei geworden sind.

Ob eine erstinstanzliche Auslegung fehlerfrei ist, überprüft das Berufungsgericht wegen der Verweisung auf § 546 ZPO wie ein Revisionsgericht nur darauf, ob gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften beachtet sind. Eine Auslegung, die diesen Kriterien gerecht wird und auf einer vertretbaren Gewichtung beruht, bedeutet ungeachtet auch anderer Auslegungsmöglichkeiten keine Rechtsverletzung im Sinne eines Rechtsanwendungsfehlers (OLG München v. 12.3.2003 – 21 U 4945/02, MDR 2003, 952 f; OLG Celle OLGReport Celle 2002, 238; Gehrlein, MDR 2003, 421 [426]; zum Prüfungsumfang vgl. auch BGH v. 13.3.2003 – IX ZR 199/00, BGHReport 2003, 648 = MDR 2003, 736 m.zahlr.N.).

Die von dem Beklagten mehrfach herangezogenen Grundsätze betreffend die Zuordnung unternehmensbezogener Geschäfte sind nicht einschlägig. Der klare Wortlaut des Vertrages enthält an keiner Stelle einen Hinweis darauf, dass eine Gesellschaft daran beteiligt sein könnte. Im Gegenteil ist der zu Nummer 8 der Anlage des Mietvertrages, bei der es sich anders als bei dem Vertrag selbst nicht um ein Formular handelt, sondern um individuell vereinbarte und niedergeschriebene Regelungen, deutlich zu entnehmen, dass beide Seiten sel...

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