Leitsatz (amtlich)

Die Zusage des Amtsgerichts, im Falle einer Beschränkung des gegen den Bußgeldbescheid eingelegten Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch kein Fahrverbot zu verhängen, führt zur Unwirksamkeit der hierauf erklärten Beschränkung, wenn zu besorgen ist, dass durch das Gericht bei dem Betroffenen der unzutreffende Eindruck erweckt worden ist, die Rechtsfolgen seien mit der Anklagebehörde abgesprochen

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 27.03.2019; Aktenzeichen 310 OWi 690/18)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. März 2019 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 20. November 2018 hat der Polizeipräsident in Berlin gegen die Betroffene wegen eines fahrlässig begangenen qualifizierten Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 200 Euro festgesetzt, ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet und dieses mit einer Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG versehen.

Nachdem die Betroffene gegen den Bußgeldbescheid form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und diesen in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, hat das Amtsgericht sie am 27. März 2019 zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbotes hat das Amtsgericht abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Amtsanwaltschaft Berlin mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird und mit der sie die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Tiergarten beantragt.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebrachte Rechtsbeschwerde hat mit der zulässig erhobenen Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils.

1. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht zu Unrecht von der Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruches auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist und deshalb keine eigenen Feststellungen zum Schuldspruch getroffen hat.

Die Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruches ist vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen. Die Einspruchsbeschränkung kann hier keine Wirkung entfalten, weil sie aufgrund einer die Betroffene irreführenden Erklärung des Gerichts zustande gekommen ist.

a) Nach § 67 Abs. 2 OWiG kann der Einspruch auf bestimmte Beschwerdepunkte - darunter auch den Rechtsfolgenausspruch - beschränkt werden. Voraussetzung dessen ist, dass der Bußgeldbescheid die Vorgaben des § 66 Abs. 1 OWiG erfüllt. Die Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung setzt zusätzlich voraus, dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung im Übrigen erforderlich zu machen, und dass die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (BGH, Beschluss vom 09. Oktober 2018 - KRB 10/17 -, juris m.w.N.). Der Umstand, dass dem Bußgeldbescheid keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform zu entnehmen sind, hindert indessen nicht die Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung, da die Verhängung des Regelsatzes des Bußgeldkatalogs belegt, dass eine fahrlässige Begehungsweise und gewöhnliche Tatumstände zugrunde gelegt wurden (vgl. Senat, Beschluss vom 06. März 2018 - 3 Ws (B) 73/18 -, juris).

b) Die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch beruhte hier auf der Zusage des Amtsgerichts, im Gegenzug von einem Fahrverbot abzusehen.

Den Urteilsgründen ist hierzu Folgendes zu entnehmen:

"Mangels Einhaltung des mindestens notwendigen Kurvenradius fehlte es an einem "standardisiert erhobenen Messwert" vor Ort in Bezug auf die Erfassung der Betroffenen. Die Messung war so nicht gerichtsverwertbar.

Die Betroffene war bereit, den in der ständigen Praxis aller beteiligten Justizbehörden deshalb gefundenen Kompromiss mitzutragen, den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken, dafür im Gegenzug nicht mit einem Fahrverbot belangt zu werden. Damit sollte der Einholung eines individualisierten Sachverständigen-Gutachtens begegnet werden.

Die Betroffene beschränkte daher ihren Einspruch sodann tatsächlich auf den Rechtsfolgenausspruch."

c) Diese Zusage des Amtsgerichts führte nicht zu einer Verständigung im Sinne von § 257c StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG.

Nach § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG kann das Gericht sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. Eine Verständigung liegt bei zumindest einseitig bindenden Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten über mi...

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