Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensgebühr nach Abgabe des Mahnverfahrens bei Klagerücknahme vor Anspruchsbegründung

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt der Kläger nach der von ihm beantragter Abgabe des Mahnverfahrens an das Streitgericht die Klage vor Anspruchsbegründung zurück, so ist die dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten erwachsene Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3101 erstattungsfähig. Stellt der Prozessbevollmächtigte des Beklagten einen Antrag nach § 269 Abs. 4 ZPO, ist zusätzlich eine nach dem Kostenwert bemessene Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3100 in den Grenzen des § 15 Abs. 3 RVG zu erstatten. (Aufgabe der früheren Rspr. JurBüro 2002, 641).

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 3101, 3100; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 13.04.2005; Aktenzeichen 35 O 60/05)

 

Tenor

In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem Beschluss des LG Berlin vom 13.4.2005 von der Klägerin an die

Beklagte zu erstattenden Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus in Höhe weiterer 255,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 18.4.2005 festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.

Die Erinnerung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf 25 EUR ermäßigt.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerde- und Erinnerungs-verfahrens haben nach einem Wert bis zu 600 EUR die Klägerin zu 88 %, die Beklagte zu 12 % zu tragen.

 

Gründe

I. Die am 12.7.2005 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den ihr am 28.6.2005 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 21.6.2005 ist gem. § 11 Abs. 1 RpflG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Der Beschwerdewert übersteigt 200 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO).

Auch die am 2.7.2005 bei Gericht eingegangene Erinnerung der Klägerin gegen denselben, ihr am 23.6.2005 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 21.6.2005 ist fristgerecht eingelegt und zu Recht zusammen mit der sofortigen Beschwerde der Beklagten dem KG als eine Angelegenheit zur Entscheidung vorgelegt worden (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 16 Rz. 99).

II. In der Sache ist die sofortige Beschwerde der Beklagten teilweise begründet, die Erinnerung der Klägerin jedoch unbegründet. Der Beklagten sind an Kosten für ihre anwaltliche Vertretung im Mahnverfahren und nach Abgabe im Streitverfahren vor dem LG Berlin eine nach einem Streitwert von 12.357,32 EUR bemessene 0,8 Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3101 i.H.v. 420,80 EUR und eine nach einem Streitwert von bis 2.000 EUR bemessene 1,3 Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3100 in Höhe 172,90 EUR zzgl. Auslagenpauschalen und Mehrwertsteuer als notwendige Kosten der Rechtsverteidigung gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten.

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dem Prozessbevollmächtigen der Beklagten nicht nur eine Verfahrensgebühr von 0,5 nach RVG-VV Nr. 3307 für den Widerspruch gegen den Mahnbescheid des AG ... erwachsen, sondern auch Verfahrensgebühren für den nachfolgenden Rechtsstreit angefallen, in denen die Widerspruchsgebühr aufgeht.

Nachdem das Mahnverfahren aufgrund des eingelegten Widerspruchs antragsgemäß an das LG Berlin abgegeben worden ist, ist dort die Streitsache mit dem Eingang der Akten am 28.1.2005 gem. § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO anhängig geworden und damit in das Streitverfahren übergeleitet worden. In diesem Rechtsstreit ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten für seine bis zur Klagerücknahme am 11.3.2005 entwickelte Tätigkeit eine nach dem Streitwert der Hauptsache bemessene 0,8 Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3101 angefallen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat glaubhaft gemacht (§ 104 Abs. 2 ZPO), dass sein Mandat nicht auf die Erhebung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid beschränkt war, sondern dass er - wie das in aller Regel der Fall ist - von der Beklagten sogleich mit der Prozessführung beauftragt worden ist. Im vorliegenden Fall kann auch unbedenklich angenommen werden, dass der Prozessbevollmächtigte im streitigen Verfahren für die Beklagte tätig geworden ist. Hierzu genügte bereits die Entgegennahme der Nachricht des Gerichts vom 23.2.2005 über den Akteneingang und die der Klägerin erteilte befristete Auflage, weil als glaubhaft gemacht angesehen werden kann, dass der Anwalt anschließend pflichtgemäß geprüft hat, ob etwas für seine Mandantin zu veranlassen ist. Die Einreichung eines Schriftsatzes ist nicht erforderlich (BGH, Beschl. v. 6.4.2005 - V ZB 25/04, MDR 2005, 1016 = BGHReport 2005, 1150 = NJW 2005, 2233). Allerdings ist die Verfahrensgebühr nicht in voller Höhe entstanden, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten vor Rücknahme der Klage keinen Sachantrag gestellt hat.

Der nach Rücknahme der Klage gem. § 269 Abs. 4 ZPO gestellte Antrag, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen, hat zwar eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3100 ausgelöst, diese ist jedoch...

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