Leitsatz (amtlich)

Ein Ehegatte, der gegenüber dem Jobcenter erklärt, zusammen mit dem anderen Ehegatten eine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft zu bilden, kann von diesem Ehegatten nicht zugleich getrennt leben im Sinn von § 1567 Abs. 1 BGB.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 133 F 13204/18)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 30. Oktober 2018 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 133 F 13204/18 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht die von ihr begehrte Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsverfolgung - die Scheidung ihrer Ehe vom Antragsgegner - mit der Begründung versagt habe, die von ihr beabsichtigte Rechtverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sich aus dem von ihr im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren vorgelegten SGB-Il-Bescheid des Jobcenters M. H. vom 4. Juli 2018 ergebe, dass sie mit dem Antragsgegner in einer Bedarfsgemeinschaft lebe, so dass von einem Getrenntleben im Sinne des Gesetzes keine Rede sein könne.

II. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung ist zwar zulässig und insbesondere fristgerecht angebracht worden, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg, weil es gegen die familiengerichtliche Entscheidung nichts zu erinnern gibt:

Mit der Vorlage des SGB-Il-Bescheides hat die Antragstellerin mittelbar selbst vorgetragen, dass sie jedenfalls im Juli 2018, als der Bescheid erlassen worden ist, vom Antragsgegner noch nicht getrennt gelebt hat. Denn im Bescheid wird der Antragsgegner als mit der Antragstellerin in Bedarfsgemeinschaft lebend bezeichnet und ihm werden ausdrücklich Leistungen als Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft zuerkannt. Die Bedarfsgemeinschaft umfasst nach dem Gesetz aber u.a. neben dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II; hier: die Antragstellerin) auch als Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten dessen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten (§ 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II): Wenn die Antragstellerin den Antragsgegner gegenüber dem Jobcenter aber als zu ihrer Bedarfsgemeinschaft gehörend bezeichnet hat und damit, wie sich das aus der gesetzlichen Definition in § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II ergibt, von ihm gerade nicht getrennt lebt, dann ist es ihr im Scheidungsverfahren schlichtweg verwehrt, Gegenteiliges zu behaupten - es ist nicht möglich, dass ein Ehepaar sozialrechtlich nicht getrennt lebt, zivilrechtlich aber getrennt. Denn der sozialrechtliche Begriff des Getrenntlebens nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II deckt sich mit der zivilrechtlichen Begrifflichkeit nach § 1567 Abs. 1 BGB. Der sozialrechtliche Ausdruck der Bedarfsgemeinschaft bezeichnet, wie das Kammergericht bereits in einer früheren Entscheidung klargestellt hat (Beschluss vom 30. April 2012 - 17 WF 108/12, FF 2012, 420; vom Familiengericht bereits angeführt) nichts anderes als das gemeinsame Wirtschaften "aus einem Topf"; nämlich das Bestehen eines gemeinsamen, einheitlichen Haushalts- und Wirtschaftsbereichs beider Ehegatten und schließt damit ein Getrenntleben denknotwendig aus. Von der Antragstellerin wird das mit der Beschwerdeschrift letztlich auch bestätigt: Sie räumt dort ein, dass der Bescheid von Juli 2018, in dem noch von einer Bedarfsgemeinschaft beider Ehegatten die Rede war, mit Abänderungsbescheiden vom 22. August 2018/9. November 2018 aufgehoben worden sei. Damit ist aber klar, dass das "Trennungsjahr" - die Voraussetzung, die regelmäßig vorliegen muss, dass die Ehe geschieden werden kann (§ 1566 Abs. 1 BGB) - derzeit noch nicht abgelaufen ist und damit hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine Aussicht auf Erfolg; ihr Antrag wurde deshalb zu Recht zurückgewiesen. Die gegen die familiengerichtliche Entscheidung gerichtete Beschwerde erweist sich damit als erfolglos und ist deshalb zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12471801

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