Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentliche Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten als letztes Mittel

 

Normenkette

BGB § 2358

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 02.07.2009; Aktenzeichen 83 T 273/08)

AG Berlin-Neukölln (Beschluss vom 14.05.2008; Aktenzeichen 60 VI 91/07)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG Neukölln vom 14.5.2008 werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das AG Neukölln zurückverwiesen.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27 ff. FGG i.V.m. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG) und begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 546 ZPO).

Das LG hat angenommen, es sei nicht gem. §§ 2354 Abs. 2, 2356 Abs. 1, 2359 BGB nachgewiesen, dass M.H.G. geb. H. Alleinerbin des Erblassers sei. Vor einer Entscheidung über den Antrag vom 3.4.2008 auf Erteilung eines weiteren Teilerbscheins sei auch eine öffentliche Aufforderung nach § 2358 Abs. 2 BGB nicht zu erlassen, weil für den Beteiligten die vorrangige Möglichkeit bestehe, die Todeszeit der Mutter des Erblassers im Verfahren nach §§ 39 ff. VerschG feststellen zu lassen. Letzteres hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Der Erlass einer öffentlichen Aufforderung nach § 2358 Abs. 2 BGB steht im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts, ist aber stets nur letztes Mittel, wenn die Beibringung der an sich erforderlichen urkundlichen Nachweise dem Antragsteller unmöglich ist oder unverhältnismäßige Schwierigkeiten bereiten würde (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2000, 124 [125]; MünchKomm/J. Mayer, BGB, 5. Aufl., § 2358 Rz. 42; Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2358). Davon ist auch das LG ausgegangen. Es hat jedoch außer Acht gelassen, dass es dem Beteiligten auf der Grundlage der bekannten Tatsachen nicht möglich ist, eine gerichtliche Entscheidung über die Todeszeit nach § 44 VerschG beizubringen. Ausgehend von der Feststellung des LG, Näheres zur Mutter des Erblassers sei nicht ermittelbar, kann der Beteiligte schon die Antragsvoraussetzungen nach § 39 S. 1 VerschG nicht glaubhaft machen, wie es gem. § 41 Abs. 2 VerschG erforderlich ist. Wird der Antrag auf Feststellung der Todeszeit nicht von einem Ehegatten gestellt, setzt er gem. § 39 S. 1 VerschG voraus, dass eine Eintragung im Sterberegister nicht erfolgt ist. Dafür bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr sind über die Mutter des Erblassers nicht genügend Daten bekannt, um ihren Werdegang zurückzuverfolgen und Eintragungen in Personenstandsregistern aufzufinden: Aus den vorliegenden Urkunden ergeben sich der Name der (zunächst ledigen) Mutter - M.A.G., spätestens ab Mai 1924 verehelichte L. - und Angaben zu ihrem Wohnsitz - K.D.4, im Mai 1924 N. Informationen zu Geburtsdatum, Geburtsort, letzter Anschrift u.Ä. fehlen.

Die Erwägungen des AG rechtfertigen es ebenfalls nicht, von einem Verfahren nach § 2358 Abs. 2 BGB abzusehen. Dass nunmehr vom Tod der Mutter auszugehen ist, steht einer Aufforderung zur Anmeldung der anderen Personen zustehenden Erbrechte nach dem Erblasser nicht entgegen. Denn die Anmeldung könnte gem. § 1922 Abs. 1 BGB durch die (Erbes-)Erben der Mutter erfolgen. Die öffentliche Aufforderung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Nachlassgericht bei einem Schweigen weiterhin nicht i.S.v. § 2359 BGB von dem Vorversterben der Mutter überzeugt wäre. In Abweichung von § 2359 BGB sind die möglicherweise Besserberechtigten nach einer erfolglosen Aufforderung bei der Erteilung des Erbscheins selbst dann nicht zu berücksichtigen, wenn eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ihr Vorhandensein spricht (vgl. Motive, Bd V S. 563; KG, JFG 20, 388, 389 f.; MünchKomm/J. Mayer, a.a.O., § 2358 Rz. 45 m.w.N.). Das folgt aus dem Zweck des § 2358 Abs. 2 BGB, die Erteilung des Erbscheins, mit dem nicht endgültig über das Erbrecht entschieden wird (§ 2361 Abs. 1 BGB), auf Grund einer Begrenzung der in Betracht kommenden Erben zu ermöglichen. Aus den gleichen Gründen ist unabhängig vom Grad der Wahrscheinlichkeit eine Aufforderung nach § 2358 Abs. 2 BGB zu erlassen, wenn - wie hier nach den getroffenen Feststellungen - auf Dauer praktisch keine andere Möglichkeit besteht, einen Erbschein (über das gesamte Erbe) zu erteilen (KG, Rpfleger 1970, 339 [340]; KG, JFG, a.a.O.).

Zuvor wird das AG jedoch gem. § 2358 Abs. 1 BGB, § 12 FGG die verbleibenden Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen haben: Die Urkunde über die Eheschließung vom 2.7.1924 (Nr. 4.../19... des Standesamts N., Bl. 11 d.A.) ist unvollständig; es fehlt das zweite Blatt, aus dem sich Hinweise (Zeugen, formlose Bleistiftvermerke o.Ä.) ergeben könnten. Weiter legt die Eintragung in der Geburtsurkunde des Erblassers (Bl. 9 d.A.) zur Religion der Mutter - "Dissidentin" - nahe, dass sie Mitglied einer freireligiösen Gemeinde war (vgl. auch den Eintrag "Baptist" in der Sterbeurkunde des Erblassers, Bl. 5 d.A.); zumindest bei der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde B-N, (Dr. D P), H 4-6, 1 B und der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde B -T, T D 133-137, 1...

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