Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 31.10.2013; Aktenzeichen (508) 286 Js 2967/13 Ls Ns (38/13))

 

Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin - Jugendkammer - vom 31. Oktober 2013 werden nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

a) Die Verfahrensrügen sind schon nicht zulässig erhoben. Die von der Revision verlangte Abwesenheitsverhandlung erforderte - wollte man eine entsprechende konventionskonforme Auslegung des § 329 Abs. 1 StPO im Sinne der Rechtsprechung des EGMR überhaupt in Betracht ziehen - jedenfalls, dass der verteidigungs- und vertretungsbereite Verteidiger nicht nur erscheint, sondern auch mit einer schriftlichen Vertretungsvollmacht des Angeklagten ausgestattet ist und diese vorweist (vgl. OLG München, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 4 StRR (A) 18/12 - [juris-Rn.13], insoweit in NStZ 2013, 358 nicht abgedruckt; OLG Düsseldorf StV 2013, 299, 301; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2012 - III-1 RVs 41/12 - [juris-Rn.12]; OLG Celle NStZ 2013, 615, 616; Mosbacher NStZ 2013, 312, 314). Da (nur) in einem solchen Fall eine zulässige Vertretung im Sinne des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO anzunehmen ist, hielte sich die von den Revisionen verlangte Gesetzesinterpretation noch "im Rahmen einer methodisch vertretbaren Auslegung" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dementsprechend sieht auch der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz über ein "Gesetz zur Stärkung des Rechts auf Vertretung durch einen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung" (Bearbeitungsstand 19. Dezember 2013) vor, dass eine Verwerfung der Berufung des Angeklagten nicht mehr erfolgen darf, wenn statt des Angeklagten ein "vertretungsbereiter Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht" in dem Termin zur Berufungshauptverhandlung erschienen ist.

Deshalb gehört zu einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensbeschwerde der Vortrag, dass sich der verteidigungs- und vertretungsbereite Verteidiger auf eine solche, ihm in schriftlicher Form erteilte besondere Vollmacht des abwesenden Angeklagten berufen und diese dem Gericht nachgewiesen hat (vgl. OLG Celle aaO.; s. auch OLG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 1 Ss 68/13 - [juris-Rn. 26]; KG, Beschluss vom 3. Januar 2012 - [2] 1 Ss 421/11 [58/11] -). Daran fehlt es hier. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich vielmehr, dass die erschienenen Verteidiger gerade keine entsprechende Vollmacht vorgelegt oder eine Bevollmächtigung auch nur behauptet hätten. Abweichendes wird von den Revisionen, die im Hinblick auf die Vollmacht ausführen, "dass eine solche für Fälle wie den vorliegenden nicht existiert", also offenbar der unzutreffenden Meinung sind, sie sei nicht erforderlich, nicht behauptet. Soweit die Verteidiger jeweils auf eine zunächst bei Haftbefehlsverkündung zu den Akten gereichte schriftliche Vollmacht hinweisen, reicht dies - ungeachtet der Tatsache, dass eine solche Vollmacht mit der Beiordnung ohnehin erloschen ist - mangels Vortrags eines auf eine Vertretungsbefugnis bezogenen Inhalts dieser Vollmachten nicht. Der Senat braucht sich bei dieser Sachlage nicht mit der Frage zu befassen, welche Folgen es mit Blick auf die Befähigung der Verteidiger zur Vertretung der Angeklagten hätte, dass beide Verteidiger erklärt haben, seit der erstinstanzlichen Verhandlung keinen Kontakt mehr zu den Angeklagten gehabt zu haben.

b) Im Übrigen teilt der Senat die von den Oberlandesgerichten München (aaO.), Bremen (Beschluss vom 10. Juni 2013 - 2 Ss 11/13 - [juris]), Celle (aaO.) und Hamburg (aaO.) sowie dem Kammergericht (Beschlüsse vom 19. August 2013 - [3] 161 Ss 151/13 [105/13] - und 23. August 2013 - [2] 121 Ss 142/13 [37/13] -) vertretene Ansicht, dass das Absehen von der Berufungsverwerfung gemäß § 329 Abs. 1 StPO bei unentschuldigtem Ausbleiben des Angeklagten und Anwesenheit eines verteidigungsbereiten Verteidigers wegen der aus Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG folgenden Bindung der Gerichte an die geltenden Gesetze nicht in Betracht kommt. Dass die von den Verteidigern demgegenüber befürwortete Auslegung der Norm mit dem geltenden Recht nicht vereinbar, sondern eine Gesetzesänderung erforderlich ist, sieht ausweislich des genannten Gesetzesentwurfs auch das Bundesministerium der Justiz so.

2. Die Sachrüge führt, da es sich bei dem angefochtenen Urteil um ein reines Prozessurteil handelt, das keine Sachentscheidung in Bezug auf den Verfahrensgegenstand enthält und einer Überprüfung im Hinblick auf Fehler bei der Anwendung des sachlichen Rechts nicht zugänglich ist, weil es das Verfahren beendet, ohne sich mit dem Anklagevorwurf zu befassen (vgl. OLG Köln NJW 2001, 1223, 1224 mwN), allein zu der Prüfung auf das Vorliegen von Verfahrenshindernissen, die hier nicht festzustellen sind. Die von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin befürwortete Überprüfung des amtsgerichtlichen Schuldspruchs und dessen Änderung durch den Senat kam deshalb nicht in Betracht.

3. Die Angeklag...

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