Verfahrensgang

AG Berlin-Lichtenberg (Aktenzeichen 5 C 1002/06)

LG Berlin (Aktenzeichen 34 O 74/06)

 

Gründe

I. Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung auf Wiedereinräumung des Besitzes an einer Werkstatt und Garage in Anspruch, der ihm nach seinem Vorbringen im Zusammenhang mit einer von der Gerichtsvollzieherin N.. im Auftrag und in Gegenwart des Antragsgegners durchgeführten Zwangsvollstreckung entzogen worden sein soll. Er macht geltend, der Antragsgegner habe diese Räume an drei Mieter vermietet, die die Räume ihrerseits für einen Mietzins von .... EUR an ihn weitervermietet hätten. Der Antragsteller hält die Zwangsvollstreckung für unzulässig, weil ein gegen ihn gerichteter Titel nicht vorliege.

Der Antragsteller hat seinen Antrag zunächst an das Landgericht Berlin gerichtet, das ihn mit Rücksicht auf den von ihm geschuldeten Jahresmietzins von ..... EUR auf Bedenken gegen seine sachliche Zuständigkeit hingewiesen hat. Auf den darauf gestellten Verweisungsantrag des Antragstellers hat es sich durch Beschluss vom 6. Februar 2006 für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Lichtenberg verwiesen. Dieses hat sich durch Beschluss vom selben Tage ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor, denn sowohl das Landgericht Berlin als auch das Amtsgericht Lichtenberg haben sich beide rechtskräftig (zum Begriff vgl. BGH NJW 88, 1794 f.; NJW-RR 97, 1161) für unzuständig erklärt.

Das Landgericht Berlin ist zur Entscheidung des Rechtsstreit gemäß § 937 Abs. 1 ZPO als Gericht der Hauptsache sachlich zuständig, weil es sich bei der Hauptsache um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit handelt, die den Landgerichten zugewiesen ist, denn der für die sachliche Zuständigkeit maßgebliche Gegenstandswert beträgt nach den §§ 8,9 ZPO 16.800,00 EUR, §§ 23 Nr., 71 Abs. 1 GVG.

Der Antragesteller beruft sich für sein Besitzrecht gegenüber dem Antragsgegner auf einen mit dessen Mietern geschlossenen Mietvertrag, die die Räume ihrerseits vom Antragsgegner gemietet hätten. Es ist anerkannt, dass auch Klagen, die unter Behauptung eines Mietverhältnisses auf die Einräumung des Besitzes gestützt werden, dem Anwendungsbereich des § 8 ZPO unterfallen (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 8 Rn. 5). Nicht erforderlich ist es, dass dabei unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen den Verfahrensbeteiligten bestehen. Die Vorschrift ist vielmehr auch in Streitigkeiten anwendbar, in denen der Untermieter gegenüber dem Hauptvermieter die Wirksamkeit seines (Unter-)Mietvertrages geltend macht (vgl. Stein/Jonas/Roth, aaO., § 8 Rn. 8 m.w.N.). Nachdem sich aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht erkennen lässt, für welchen Zeitraum er die (weitere) Geltung des Mietvertrages geltend machen will, ist insoweit die Vorschrift des § 9 ZPO entsprechend heranzuziehen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl.,§ 8 Rn. 5 m.w.N.), womit sich der für die Zuständigkeit maßgebliche Verfahrenswert von 16.800,00 EUR ergibt.

Die Streitigkeit ist auch nicht anderweitig den Amtsgerichten zugewiesen. Insbesondere ergibt sich insoweit keine sachliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2 a) GVG, denn der Antragsteller begehrt nicht die Gebrauchsüberlassung von Wohnraum. Zwar hat er in seiner Antragsbegründung ausgeführt, er sei "aus der Wohnung verwiesen" worden. Daraus hat er aber keine Rechte hergeleitet; sein Antrag bezieht sich allein auf eine Werkstatt und eine Garage.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts nach § 29 a ZPO steht außer Frage.

Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Lichtenberg ist auch nicht durch die unter dem 6. Februar 2006 erfolgte Verweisung des Verfahrens an dieses Gericht begründet worden, denn dieser Beschluss ist für das Amtsgericht nicht bindend.

Die grundsätzliche Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen nach § 281 Abs. 2 S. 3 und S. 4 ZPO für das aufnehmende Gericht entfällt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, namentlich bei Verletzung des rechtlichen Gehörs oder wenn der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlt, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint (BGH NJW 1993, 1273). Das kann unter anderem dann der Fall sein, wenn das verweisende Gericht eine in Rechtsprechung und Schrifttum einhellige Ansicht außer Acht gelassen oder den Sachverhalt evident falsch erfasst und deshalb seine eigene Unzuständigkeit nicht nachvollziehbar begründet hat. Auch die willkürliche Bemessung des Zuständigkeitswerts kann dazu führen, dass die Verweisung objektiv willkürlich erscheint (vgl. KG MDR 1999, 438).

Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Wie ausgeführt, ergibt sich der Zuständigkeitsstreitwert aus den Vorschriften der §§ 8,9 ZPO. Soweit sich das Landgericht für seine abweichende Auffassung auf die Kommentierung von Hartmann (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 64. Aufl., Anh. § 3 Rn. 29 "Besitzstreit") gestützt hat, liegt ein Missverstän...

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