Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Beanstandungen gegen ein Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die einfache Betriebsgefahr des Motorrades, das den von rechts – trotz des im Abstand von etwa 40 m erkennbar herannahenden Kraftfahrzeuges – auf die Fahrbahn tretenden Fußgänger erfasst, ohne dass ein Verschulden des Fahrers festgestellt werden kann, tritt hinter dem groben Eigenverschulden des Fußgängers zurück.

Der Berufungskläger ist auch mit Beanstandungen gegen ein Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, wenn er sie erstinstanzlich hätte geltend machen können; Beanstandungen eines Sachverständigengutachtens zählen zu den neuen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln.

 

Normenkette

ZPO § 531 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 468/03)

 

Tenor

1. Es wird gem. § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die Berufung des Beklagten durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu binnen drei Wochen.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr im Ergebnis der angefochtenen Entscheidung.

Insofern wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Das LG hat den Sachvortrag der Parteien zum Unfallhergang im Ergebnis rechtsfehlerfrei gewürdigt.

a) Zutreffend hat das LG ein Verschulden des Beklagten an der Kollision angenommen. Der Kläger ist mit seinem Motorrad mit dem Beklagten zusammengestoßen, als dieser zu Fuß die Fahrbahn überquert hat. Dabei hat er die Fahrbahn aus Sicht des Beklagten von rechts nach links betreten. Dies war und ist unstreitig, und infolgedessen steht ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten fest. Grundsätzlich müssen Fußgänger die Gehwege benutzen (§ 25 Abs. 1 S. 1 StVO). Fußgänger, die eine Fahrbahn überqueren wollen, zumal wie hier außerhalb von Fußgängerüberwegen oder den Markierungen von Lichtzeichenanlagen, haben sich sorgfältig davon zu überzeugen, dass die Fahrbahn frei ist (§ 25 Abs. 3 StVO). Kommt es zu einem Zusammenstoß des querenden Fußgängers mit einem Kraftfahrzeug, indiziert dies ein Verschulden des Fußgängers, insb. die unzureichende Beobachtung der Verkehrslage.

b) Rechtsfehlerfrei ist das LG auf Grundlage des Unfallrekonstruktionsgutachtens des Sachverständigen W. vom 13.9.2004 nebst ergänzender Stellungnahme vom 3.12.2004 zu dem Ergebnis gelangt, dass den Kläger am Zustandekommen der Kollision kein Verschulden trifft, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten hat und ihm bei erstmaliger Wahrnehmung des querenden Beklagten aus einer Entfernung von 35-41 m vom Kollisionsort nicht vorzuwerfen ist, dass er infolge einer verspäteten Reaktion nicht unfallverhütend reagiert hat.

Mit den jetzt erhobenen inhaltlichen Einwendungen gegen die Richtigkeit des Sachverständigengutachtens ist der Beklagte nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert, denn es ist weder vorgetragen nach ersichtlich, dass er ohne Verschulden außerstande war, sie erstinstanzlich zu erheben. Zum Gutachten vom 13.9.2004 hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 4.10.2004 kritisch Stellung genommen. Dies hat das LG veranlasst, vom Sachverständigen hierzu mit Beschluss vom 12.10.2004 eine weitere Stellungnahme zu erfordern. Diese Stellungnahme vom 3.12.2004, die sich mit seinen Einwendungen auseinandersetzt, ist dem seinerzeitigen Beklagtenvertreter am 20.12.2004 zugestellt worden, verbunden mit der Aufforderung, Einwendungen hiergegen binnen drei Wochen zu formulieren. Der Beklagte hat jedoch erstinstanzlich keine weiteren Einwendungen gegen die - den Senat überzeugenden - Ausführungen des Sachverständigen erhoben. Damit ist er gehindert, dies erstmals in der Berufungsbegründung zu tun (KG, Urt. v. 21.10.2004 - 12 U 22/04, KGReport Berlin 2005, 123 = VRS 108, 9 = VM 2005, 51 Nr. 44; Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 531 Rz. 22, m.w.N.).

Nur ergänzend sei hinzugefügt, dass es Sache des beweisbelasteten Beklagten ist, darzulegen, aus welchen tatsächlichen Umständen er ein unfallursächliches (Mit-)verschulden des Klägers ableiten will. Zu den Abständen und Geschwindigkeiten, aus denen dies abgeleitet werden soll, hat er nahezu nichts vorgetragen. Er hat in der Klageerwiderung lediglich aus seiner Behauptung, er habe das Motorrad nicht gesehen, abgeleitet, dieses müsse mit stark überhöhter Geschwindigkeit gefahren sein. Die ergebe sich auch aus dem Kollisionspunkt und der Tatsache, dass er durch die Luft geschleudert worden sei. All dies hat der Sachverständige berücksichtigt (S. 3 des Gutachtens v. 14.9.2004), ohne es zu bestätigen. Die Ausführungen des Beklagten dazu, der Sachverständige habe zu Unrecht ...

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