Leitsatz (amtlich)

1. Eine familiengerichtliche Entscheidung in Sorge- oder Umgangssachen kann abgeändert werden, wenn die für die Erstentscheidung maßgeblichen Umstände sich nach deren Erlass geändert haben oder wenn neue Umstände aufgetreten sind, die bei Erlass der Erstentscheidung zwar schon vorlagen, aber seinerzeit noch nicht bekannt waren und die zu einer anderweitigen Beurteilung der seinerzeitigen Sach- und Rechtslage nötigen.

2. Der Umgang ist vom Familiengericht auch dann positiv zu regeln (und der Umgangsantrag nicht nur lediglich zurückzuweisen), wenn nur ein begleiteter Umgang in Frage kommt, der umgangsberechtigte Elternteil aber erklärt, einen solchen nicht wahrnehmen zu wollen.

3. Die Entscheidung über untergeordnete Aspekte einer Umgangsregelung wie beispielsweise die Festlegung der genauen Uhrzeit oder anderer "Feinabstimmungen" können auf einen Dritten, etwa einen Umgangspfleger oder einen Umgangsbegleiter übertragen werden, wenn das Familiengericht einen "Umgangsrahmen" vorgibt, der Regelungen zur Dauer und Häufigkeit der einzelnen Umgangskontakte und zur Frage, ob der Umgang begleitet oder unbegleitet erfolgt sowie zu den wesentlichen Modalitäten des Holens und Bringens enthält.

4. Soweit das Kindeswohl dies im Einzelfall gebietet, kann die familiengerichtliche Umgangsregelung von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass der umgangsberechtigte Elternteil vor dem Beginn des Umgangs zunächst eine Beratung des Jugendamtes zur Durchführung und den Zielen eines begleiteten Umgangs wahrnimmt.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 29.02.2016; Aktenzeichen 155b F 4883/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Mutter gegen den am 29.2.2016 erlassenen Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - 155B F 4883/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beschluss wie folgt lautet:

Die Mutter ist in Abänderung des am 19.5.2014 erlassenen Beschlusses des AG Tempelhof-Kreuzberg - 155 F 3400/14 - berechtigt und verpflichtet, mit dem am n Januar 2013 geborenen Kind E.n einmal monatlich an einem Werktag außer dienstags für die Dauer von zwei Stunden Umgang zu pflegen.

Der Umgang findet in begleiteter Form in den Räumen eines Umgangsbegleiters statt; er darf nur in Anwesenheit der vom Umgangsbegleiter zu benennenden Fachkräfte erfolgen und nur in Abwesenheit aller sonstigen, dritten Personen, insbesondere in Abwesenheit der Pflegemutter und der Großmutter mütterlicherseits des Kindes. Vor dem ersten Umgangstermin hat zunächst eine "Kennenlernphase" zu erfolgen, in der das Kind mit den Fachkräften des Umgangsträgers und den Räumen, in denen der Umgang stattfindet, vertraut gemacht wird.

Zum Umgangsbegleiter wird der Verein S. e.V., ... B. (Tel. 030/...; ...) bestimmt.

Die Festlegung des genauen Zeitpunktes, zu dem der angeordnete Umgang stattfindet, wird dem Umgangsbegleiter übertragen.

Muss ein Umgangstermin wegen Krankheit oder einer sonstigen Verhinderung des Kindes entfallen, ist die Mutter hiervon unverzüglich zu unterrichten; der ausgefallene Umgang ist an einem vom Umgangsbegleiter zu bestimmenden Ersatztermin nachzuholen. Kann die Mutter einen Umgangstermin aus triftigen Gründen nicht wahrnehmen, hat sie den Umgangsbegleiter hiervon unverzüglich zu unterrichten; der Umgangstermin entfällt in diesem Fall ersatzlos.

Der Personensorgepfleger ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass das Kind pünktlich zu den festgesetzten Umgangsterminen dem Umgangsbegleiter übergeben wird und nach Ende des Umgangs wieder in die Obhut der Pflegefamilie zurückkehren kann.

Die Mutter hat alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zu seiner Pflegefamilie beeinträchtigt oder seine Erziehung erschwert.

Der vorstehend verfügte Umgang steht unter der Bedingung, dass die Mutter vor dem ersten Umgangstermin sich vom Jugendamt über Ziele und Durchführung eines begleiteten Umgangs beraten lässt und entsprechende Beratungsgespräche wahrnimmt.

Von der Erhebung von gerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind von jedem Beteiligten selbst zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Mutter wendet sich gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 29.2.2016. Mit diesem Beschluss wurde der am 19.5.2014 erlassene Umgangsbeschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - 155 F 3400/14 - (= Senat, 13 UF 190/14) aufgehoben und der Umgangsantrag der Mutter zurückgewiesen.

Das Familiengericht führte zur Begründung der Entscheidung aus, dass das Kind seit Mai 2015 in einer Dauerpflegestelle lebe und die Mutter den Kontakt zu E. seit August 2014 nicht mehr wahrgenommen habe. Eine persönliche Beziehung von E. zu ihrer Mutter bestehe nicht mehr, sondern für das Kind sei die Mutter eine fremde Person. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass E., dem ärztlichen Bericht des Sozialpädiatrischen Zentrums der C. vom 24.3.2015 zufolge eine stabile Langzeitperspektive benötige und bei einem erneuten Wechsel seines Milieus die Herausbildung von...

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