Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausländersicherheit bei Beschlussanfechtung durch eine im Ausland ansässige Gesellschafterin einer inländischen Gesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Zwischenurteil, das dem Antrag auf Leistung einer sog. Ausländersicherheit stattgibt, ist durch die klagende Partei nicht selbständig anfechtbar. Dies bedeutet keine unbotmäßige Verkürzung des rechtlichen Gehörs, weil die bei Nichtleistung der Sicherheit auf Antrag der beklagten Partei im Beschlusswege auszusprechende Erklärung der Klage für zurückgenommen (§ 113 S. 2 Var. 1 ZPO) anfechtbar ist.

2. Das Erfordernis der Prozesskostensicherheit schützt die inländische beklagte Partei vor den typischen Schwierigkeiten, die mit der Anerkennung und Vollstreckung einer (Kosten-) Entscheidung im Ausland verbunden sind. Eine sachliche Notwendigkeit, diesen Schutz für den Fall der Beschlussanfechtung durch eine im Ausland ansässige Gesellschafterin einer inländischen Gesellschaft einzuschränken, besteht nicht. Im Gegenteil verbietet es die gesellschaftliche Treuepflicht jedem Gesellschafter, das Vermögen der Gesellschaft und damit mittelbar auch dasjenige seiner Mitgesellschafter zu schädigen.

3. Der Streitwert des gleichwohl angestrengten Berufungsverfahrens entspricht dem Betrag der angeordneten Sicherheit.

 

Normenkette

GG Art. 19 Abs. 4; GKG § 63; ZPO §§ 3, 110 Abs. 1, § 112 Abs. 1. Abs. 2 S. 1, §§ 113, 280 Abs. 2 S. 1, § 511 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 31.08.2023; Aktenzeichen 95 O 51/22)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Zwischenurteil der Kammer für Handelssachen 95 des Landgerichts Berlin vom 31.08.2023, Az. 95 O 51/22, gemäß § 522 Abs. 1 ZPO bei einem Streitwert von 49.611,38 EUR als unzulässig zu verwerfen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.12.2023.

 

Gründe

I. Ein Zwischenurteil, das dem Antrag auf Sicherheitsleistung stattgibt, ist durch die klagende Partei nicht selbständig anfechtbar, sondern nur zusammen mit dem nach § 113 S. 2 ZPO ergehenden Endurteil. Denn gemäß § 511 Abs. 1 ZPO ist die Berufung nur gegenüber Endurteilen statthaft.

Soweit die Regelung in § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO die Berufung gegen ein Zwischenurteil ausnahmsweise zulässt, ist infolge des sachlichen Zusammenhanges mit Abs. 1 der Vorschrift hierfür Voraussetzung, dass durch dieses Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1987 - IVa ZR 135/86 -, BGHZ 102, 232 Rn. 9 nach juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. November 2004 - 6 WF 200/04 -, Rn. 2 nach juris). Dies ist bei einem Zwischenurteil, das - wie vorliegend - die Sicherheitsleistung für Prozesskosten anordnet, nicht der Fall, weil für das Ausgangsgericht bei einer solchen Entscheidung denknotwendig keine Möglichkeit besteht, die Zulässigkeit zu verneinen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1987 - IVa ZR 135/86 -, BGHZ 102, 232 Rn. 9 nach juris). Über die Zulässigkeit wird daher erst in einem etwa nachfolgenden Verfahrensabschnitt durch (echtes) Endurteil nach § 113 S. 2 ZPO entschieden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZB 73/05 -, Rn. 6 nach juris mN.; Musielak/Voit/Foerste, 20. Aufl. 2023, ZPO § 110 Rn. 9). Dass das Zwischenurteil über die Anordnung der Prozesskostensicherheit die Zulässigkeit der Klage bei alledem sachlich berührt und bei Nichtleistung der Sicherheit auch dazu führen kann, dass das Verfahren letztlich ohne Sachprüfung endet, reicht für die Anwendung des § 280 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht aus (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 29. Januar 2008 - 4 W 47/08 -, Rn. 5 nach juris mN.).

Die von der Berufungsbegründung für die gegenteilige Auffassung angeführte Rechtsprechung stammt sämtlich aus den 1980/90er Jahren und ist durch die nachlaufende BGH-Rechtsprechung klärend überholt. Letztere verweist ausdrücklich auf die nach Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle vom 3. Dezember 1976 (BGBl. 1976 I S. 3281) geführte Diskussion (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1987 - IVa ZR 135/86 -, BGHZ 102, 232, LS und Rn. 6 nach juris, mwN.) und behandelt die Frage sodann als geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZB 73/05 -, Rn. 6 nach juris; dem folgend u.a. OLG Jena, Beschluss vom 29. Januar 2008 - 4 W 47/08 -, Rn. 5 nach juris mN.; BeckOK-ZPO/Jaspersen, 1.9.2023, § 110 Rn. 34; Saenger/Wöstmann, 10. Aufl. 2023, ZPO § 110 Rn. 5; Musielak/Voit/Foerste, 20. Aufl. 2023, ZPO § 110 Rn. 9; Steinert/Theede/Knop, Zivilprozess, 9. Auflage 2011, 4. Kap. Rn. 98). Der erforderliche Rechtsschutz der klagenden Partei gegen die Anordnung wird bei alledem dadurch sichergestellt, dass die auf Antrag der beklagten Partei gem. § 113 S. 2 ZPO zu treffende Entscheidung ihrerseits anfechtbar ist (vgl. BeckOK-ZPO/Jaspersen, 1.9.2023, § 110 Rn. 34).

Dass diese nur verzögerte Überprüfbarkeit der Anordnung einer Prozesskostensicherheit die klägerische Rechtsverfolgung erschwert, nötigt auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu keiner anderen Entscheidung. Das Erfordernis der Prozess...

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