Entscheidungsstichwort (Thema)

Kollision zwischen Linksabbieger und unberechtigtem Benutzer einer Busspur

 

Normenkette

StVO § 9 Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 04.01.2007; Aktenzeichen 17 O 149/05)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Der Kläger macht mit seiner Berufungsbegründung geltend:

a) Das LG habe zu Unrecht seiner Klage nur nach einer Quote von 50 % stattgegeben. Dabei sei das LG rechtsirrig davon ausgegangen, dass das rechtswidrige Benutzen der Busspur durch die Zweitbeklagte vor dem Unfall nicht zu deren Mithaftung führe; vielmehr bestehe ein Vertrauensschutz auch des Gegenverkehrs, dass von diesem Sonderfahrstreifen keine Gefahr durch ihn unberechtigt befahrende Verkehrsteilnehmer ausgehe.

b) Darüber hinaus sei das LG auf Grund völlig unzureichender Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine "Schadensteilung je zur Hälfte" angemessen sei.

Das Unterlassen jeglicher Würdigung der Zeugenaussagen sei ein gravierender Rechtsfehler, weil dadurch offen geblieben sei, ob überhaupt eine Abwägung stattgefunden habe. Da der Kläger sich nach den Umständen völlig korrekt verhalten habe, die Zweitbeklagte aber grob rücksichtslos vor der Kollision rechtswidrig die Busspur benutzt habe und nach den Aussagen der Zeuginnen nach den Umständen zu schnell gefahren sei, müssten die Beklagten nach Abwägung gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG zu 100 % haften.

2. Diese Angriffe rechtfertigen eine Abänderung des angefochtenen Urteils nicht. Der Senat folgt den im Wesentlichen zutreffenden Gründen und dem Ergebnis der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden, wobei es einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegensteht, wenn das Berufungsgericht die Begründung des Erstgerichts ergänzt oder sogar auswechselt (vgl. OLG Rostock, MDR 2003, 828 und 1073, OLG Hamburg, NJW 2006, 71).

a) Bei Beurteilung der Rechtslage ist dem LG zunächst dahin zu folgen, dass der Kläger als Linksabbieger wartepflichtig ggü. der Beklagten zu 2) war (§ 9 Abs. 3 Satz 1 StVO), die als Gegenverkehr bevorrechtigt war. Der Kläger wendet sich in der Berufungsbegründung auch nicht gegen die Feststellung des LG auf S. 5 des angefochtenen Urteils, dass sich der Unfall im Zusammenhang damit ereignet hat, dass er als Linksabbieger die Fahrtlinie des Gegenverkehrs kreuzen wollte und teilweise gekreuzt hat, ohne das entgegenkommende Fahrzeug der Zweitbeklagten durchfahren zu lassen.

Dies hat der Kläger nicht getan, wobei zu beachten ist, dass er nicht wegen eines Vorfahrtverzichts von Fahrzeugen im zweiten und dritten Fahrstreifen darauf vertrauen durfte, dass keine Fahrzeuge im ersten, rechten Fahrstreifen in die Kreuzung einfahren würden; denn ein solcher Verzicht auf Vorfahrt wirkt nicht zu Lasten anderer Bevorrechtigter (BGH, Urt. v. 5.6.1956 - VI ZR 68/55 - VRS 11, 171; Senat, Urteile vom 4.3.1971 - 12 U 1778/70 - DAR 1971, 237 und vom 2.7.1981 - 12 U 492/81 - VersR 1982, 583 = MDR 1981, 1023; Senat, Beschl. v. 4.1.2006 - 12 U 202/05 - NZV 2006, 369 = zfs 2006, 440) und entbindet den Wartepflichtigen nicht von der Beachtung seiner Sorgfaltspflichten (OLG Frankfurt, Urt. v. 12.3.1965 - 3 U 251/64 - NJW 1965, 1334; OLG München, Urt. v. 5.2.1991 - 5 U 5359/90 - juris).

Dagegen durfte der Bevorrechtigte (hier: die Beklagte zu 2 darauf vertrauen, dass der Wartepflichtige (hier: der Kläger) seine Vorfahrt beachtet. Der Vorfahrtberechtigte muss nämlich nicht damit rechnen, dass ein Linksabbieger sorgfaltswidrig versuchen wird, seinen Fahrstreifen zu kreuzen, und zwar auch dann nicht, wenn für ihn die Sicht nach links durch im links von ihm befindlichen Fahrstreifen stehende Fahrzeuge verdeckt ist (Senat, KG R 2003, 20 = VRS 103, 406 NZV 2003, 378 = VerkMitt 2003, 26 Nr. 28).

Entgegen der Auffassung des Klägers auf S. 2-3 der Berufungsbegründung ändert sich an diesen Grundsätzen auch nichts wegen des Umstands, dass die Beklagte zu 1) vor Einfahrt in den Kreuzungsbereich nach rechts auf den Sonderfahrstreifen (Z 245 zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO) für Busse, Taxen usw. ausgewichen ist und diesen - unberechtigt und ordnungswidrig - benutzt hat.

Zutreffend hat das LG auch ausgeführt, dass es sich bei den Vorschriften über den Sonderfahrstreifen nicht um ein Schutzgesetz zu Gunsten sorgfaltswidriger Linksabbieger handelt (vgl. Senat, Urt. v. 2.7.1981 - 12 U 492/81 - VersR 1982, 583 = MDR 1981, 10...

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