Leitsatz (amtlich)

1. a) Die Existenz und der Inhalt eines Verwaltungsaktes, der nicht nichtig ist, ist von den ordentlichen Gerichten so lange zu beachten, solange der Verwaltungsakt nicht von Amts wegen oder auf einen Rechtsbehelf hin aufgehoben wurde.

b) Der Übergang des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs auf die Unterhaltsvorschusskasse im Wege der cessio legis nach § 7 Abs. 1 UVG hängt nicht davon ab, dass die gezahlten Leistungen im Sinne der Bestimmungen des UVG rechtmäßig bewilligt wurden.

c) Bei der Frage, ob der Elternteil, bei dem das Kind lebt, für das UVG geltend gemacht wird, alleinerziehend im Sinne von § 1 Abs. 1 UVG ist, kommt es nicht auf eventuelle, zwischen den Eltern betroffene Abreden an, sondern ausschließlich darauf, welche Betreuungsform in dem Zeitraum, für den UVG-Leistungen gewährt werden, tatsächlich praktiziert wurde. Deshalb steht eine von den Eltern früher einmal vereinbarte Betreuung des Kindes in einem nicht-paritätischen Wechselmodell der Gewährung von Unterhaltsvorschuss nicht entgegen, wenn dieses Betreuungsmodell aktuell nicht mehr praktiziert wird.

d) Der Vorrang nach § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG hindert die Unterhaltsvorschusskasse nicht daran, einen Titel über den ihr zustehenden (Unterhaltsregress-) Anspruch zu erwirken. Da die Unterhaltsvorschusskasse den auf sie übergegangenen Anspruch aber nur in einer Weise verfolgen darf, die dem Benachteiligungsverbot gegenüber dem unterhaltsberechtigten Kind Rechnung trägt, ist in Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige neben dem laufenden Unterhalt mangels hinreichender Leistungsfähigkeit keine weitergehenden Zahlungen auf den übergegangenen (Unterhaltsregress-) Anspruch leisten kann, in den Tenor der zu erlassenden Entscheidung der Vorbehalt aufzunehmen, dass aus dem Titel zugunsten der Unterhaltsvorschuss nur vollstreckt werden darf, wenn und soweit der Unterhaltsberechtigte bei der Durchsetzung seiner Unterhaltsforderung nicht benachteiligt wird.

2. Kosten für den Vorhalt eines Kinderzimmers in der Wohnung des barunterhaltspflichtigen Elternteils sind nur dann berücksichtigungsfähig, wenn andernfalls der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gefährdet ist.

3. Mit Zustellung eines Stufenantrages auf Auskunft und Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Unterhalts wird zwar der gesamte, in der Auskunftsstufe noch unbezifferte Zahlungsantrag rechtshängig. Mit der Bezifferung beschränkt sich die Rechtshängigkeit jedoch auf den konkret geforderten Unterhalt.

4. Ein Unterhaltspflichtiger, der sich auf eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit beruft, hat die seine Lebensstellung bestimmenden Tatsachen wie Alter und Familienstand, Höhe seines Einkommens und Vermögens einschließlich seiner Verbindlichkeiten sowie der Abzugspositionen vorzutragen und ggf. auch zu beweisen. Dazu kann auch gehören, dass der Unterhaltspflichtige zu einem ihm zustehenden Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 Satz 2 bis 4, Abs. 4 BGB vorträgt.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 202 F 3286/22)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 7. Dezember 2022 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Pankow - 202 F 3286/22 - in der Fassung des in dieser Sache ergangenen Berichtigungsbeschlusses vom 10. Februar 2023 wird auf dessen Kosten nach einem Beschwerdewert von 6.652,00 EUR mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entscheidung des Amtsgerichts nur vollstreckt werden darf, wenn und soweit der Unterhaltsgläubiger - der Jugendliche B., geboren am ... 2006 - bei der Durchsetzung seiner Unterhaltsforderung gegen den Antragsgegner nicht benachteiligt wird.

 

Gründe

I. Die Beteiligten, die Unterhaltsvorschussstelle des Bezirksamts ... von B. und der Antragsgegner, der Vater des (noch) minderjährigen, am ... 2006 geborenen, im Haushalt der Mutter lebenden Jugendlichen B., streiten über den Kindesunterhaltsanspruch für B. im Zeitraum ab dem 1. Januar 2022 bis heute, der kraft Gesetzes auf den Antragsteller übergegangen ist.

Auf den entsprechenden Antrag des Antragstellers - der Unterhaltsvorschussstelle - hat das Familiengericht den Antragsgegner verpflichtet, an diese mit Wirkung ab dem 1. Juni 2022 jeweils monatlich im Voraus laufenden, dynamisierten Kindesunterhalt für den Sohn gemäß § 1612a Abs. 1 BGB in Höhe von 100% des jeweiligen Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich des vollen Kindergeldes für ein erstes Kind und damit im Zeitpunkt des Entscheidungserlasses einen monatlichen Zahlbetrag von 314 EUR/Monat zu leisten. Weiter wurde der Antragsgegner verpflichtet, an die Unterhaltsvorschussstelle den rückständigen Unterhalt für B. aus dem Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Mai 2022 in Höhe von insgesamt 1.570,00 EUR abzüglich eines Betrages von 98,39 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2022 zu zahlen. Das Familiengericht hat die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung verfügt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 7. Dezember 2022 und den ...

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