Leitsatz (amtlich)

1. Das Risiko, dass ein (angeblich eingereichter) Schriftsatz bei Gericht nicht ankommt, ist uneingeschränkt vom Beteiligten zu tragen, weil er die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass seine Einwendungen rechtzeitig bei Gericht eingegangen sind.

2. Auch wenn im vereinfachten Unterhaltsverfahren das Formular mit den Einwendungen des Antragsgegners weder datiert noch unterzeichnet wurde, liegt dennoch eine im Sinn von § 252 FamFG zulässige Einwendung vor, wenn aus dem ausgefüllten Formular alle für die Erfüllung seines Zwecks erforderlichen Angaben eindeutig hervorgehen und zusätzlich, als Beleg zu den gemachten Angaben, eine vollständige Kopie des aktuellen SGB II-Bescheids beigefügt wird, mit dem staatliche Transferleistungen für die Dauer von etwa einem Jahr bewilligt werden.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 26 FH 324/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 8. Februar 2023 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Pankow - 26 FH 324/22 - aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Beschwerdewert wird auf 7.431 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner, der Vater des minderjährigen, am ... 2017 geborenen Kindes A ..., der im Haushalt seiner Mutter in ... B ... lebt, wendet sich gegen den am 8. Februar 2023 erlassenen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss, mit dem gegen ihn die auf den Antragsteller, die Unterhaltsvorschusskasse, nach § 7 UVG übergegangenen Unterhaltsansprüche seines Sohnes für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2020 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes in Höhe von 100% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe und abzüglich des jeweiligen vollen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes Kind festgesetzt wurden.

Der Antragsgegner trägt vor, er habe im Verlauf des erstinstanzlichen Festsetzungsverfahrens den Formularbogen mit den Einwendungen gegen den Festsetzungsantrag ausgefüllt und mit den notwendigen Unterlagen - nämlich einer Kopie seines vollständigen, aktuellen SGB II-Bescheids - an das Familiengericht gesandt und, nachdem das Familiengericht den Bogen an ihn mangels einer Unterschrift unter dem Erklärungsbogen und aufgrund eines fehlenden "Kreuzchens" in einem der vorgegebenen Felder mit der Bitte um Ergänzung zurückgereicht habe, entsprechend ergänzt und wieder an das Familiengericht zurückgesandt. Dass sein Schreiben, in dem sich der ergänzte Bogen befunden habe, beim Familiengericht nicht angekommen sei und sich deshalb auch nicht bei der Akte befände, könne er sich nicht erklären. Er meint sinngemäß, der gleichwohl ergangene Unterhaltsfestsetzungsbeschluss sei aufzuheben und der entsprechende Antrag abzuweisen, weil er nicht ausreichend leistungsfähig sei, um den von ihm im Regressweg geforderten Unterhalt leisten zu können.

Der Senat hat den Beteiligten einen umfangreichen Hinweis erteilt und weiter darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der gesetzten Frist im schriftlichen Verfahren, ohne mündliche Anhörung, entschieden werden soll.

II. 1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht angebracht und auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des vereinfachten Unterhaltsverfahrens (§ 256 Satz 1 FamFG) sind gewahrt.

2. Auch in der Sache selbst erweist sich der Rechtsbehelf des Antragsgegners - jedenfalls vorläufig - als begründet. Auf seine Beschwerde ist der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss aufzuheben und das Verfahren an das Familiengericht zurückzuverweisen, damit das Verfahren auf einen von der Unterhaltsvorschusskasse zu stellenden Antrag als streitiges Unterhaltsverfahren vor dem Familiengericht fortgeführt werden kann (§ 254 FamFG).

a) Die Einzelheiten hierzu ergeben sich aus dem Hinweis, den der Senat den Beteiligten unter dem 6. März 2023 erteilt hat. Hier heißt es:

"Nach Beratung der Sache im Senat erlaube ich mir, sowohl das Jugendamt als auch den Vater auf die folgenden Gesichtspunkte hinzuweisen:

1. Das unterzeichnete Original zu der Kopie des Formulars mit den Einwendungen, die der Vater (bzw. Unterhaltsschuldner) mit der Beschwerde einreicht, befindet sich unverändert nicht bei der Akte. Das Risiko, das ein Schriftsatz nicht ankommt (oder, was ebenfalls in Betracht kommen kann: nicht abgeschickt; nicht korrekt adressiert; nicht frankiert wurde etc.), ist uneingeschränkt vom Vater/Unterhaltsschuldner zu tragen. Denn der Antragsgegner, hier also der Vater, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine Einwendungen rechtzeitig bei Gericht eingegangen sind (vgl. nur Prütting/Helms-Bömelburg, FamFG [6. Aufl. 2023], § 252 Rn. 26).

Hier ist aber klar, dass das unterzeichnete Formular gerade nicht bei Gericht eingegangen ist. Dies gilt umso mehr, als die Rechtspflegerin den Unterhaltsschuldner auf den offensichtlichen Mangel des von ihm eingereichten Formulars - die fehlende Unterschrift - mit Schreiben vom 31. August 2022 ausdrücklich hingewiesen hat. Nachdem der Unterh...

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