Rz. 42

Der Nacherbenvermerk kann unabhängig davon zur Löschung bewilligt werden, ob die Nacherbfolge materiell-rechtlich fortbesteht oder nicht. Besteht sie fort, so bewirkt der mit der Löschungsbewilligung verbundene Verzicht auf den Schutz des Nacherbenvermerks, dass das materiell-rechtlich fortbestehende Nacherbenrecht im Grundbuchverkehr nicht mehr zu beachten ist und der Gefahr des Untergangs mit gutgläubigem Erwerb Dritter durch Verfügung des Vorerben preisgegeben wird.[78]

 

Rz. 43

Von der Löschung des Nacherbenvermerks sind i.S.d. § 19 GBO betroffen: Sämtliche im Grundbuch aufgrund der letztwilligen Verfügung, die der Anordnung der Nacherbfolge zugrunde liegt, eingetragenen bzw. einzutragenden Nacherben, Nachnacherben und auch Ersatznacherben,[79] sodass der Nacherbenvermerk insgesamt nur dann gelöscht werden kann, wenn alle Nacherben, Ersatznacherben und Nachnacherben die Löschung bewilligt haben. Bewilligen nur einzelne Nacherben die Löschung des Nacherbenvermerks kann dies ggf. als ihr Verzicht auf die Eintragung ihres Rechts (nicht auf das Recht selbst) im Grundbuch ausgelegt und dann beim Nacherbenvermerk vermerkt werden.

 

Rz. 44

Das Grundbuchamt hat die Nacherben, von deren Zustimmung die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch abhängt, in eigener Zuständigkeit unter Auslegung der Grundlage für die Eintragung der Nacherben festzustellen.[80]

 

Rz. 45

Für unbekannte Nacherben, Nachnacherben oder Ersatznacherben ist ein Pfleger zu bestellen,[81] § 1882 BGB, auch wenn einzelne Nacherben schon bekannt sind (z.B. zu den bereits vorhandenen Kindern oder Abkömmlingen des Vorerben kommen möglicherweise noch weitere Kinder oder Abkömmlinge hinzu). Das Grundbuchamt muss demgemäß im Verfahren zur Löschung des Nacherbenvermerks die letztwillige Verfügung auch unter dem Gesichtspunkt auslegen, ob neben den bereits bekannten und eingetragenen Nacherben noch weitere Nacherben, Ersatznacherben oder Nachnacherben in Frage kommen und die Löschung dann auch von deren Bewilligung abhängig machen.[82]

 

Rz. 46

Ist der Vorerbe zugleich gesetzlicher Vertreter (z.B. Elternteil) des Nacherben (Kind), so unterliegt der Vorerbe = gesetzliche Vertreter gem. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB dem Selbstkontrahierungsverbot und ist von der Vertretung des Nacherben zur Abgabe der Löschungsbewilligung ausgeschlossen;[83] wo der Minderjährige (Kind) Nacherbe und zugleich Miterbe ist neben seinem gesetzlichen Vertreter (Elternteil) als Vorerben und dieser sich auch namens des Minderjährigen mit Genehmigung des Familiengerichts zur Verfügung über ein Nachlassgrundstück verpflichtet (Grundstücksverkauf), kann der gesetzliche Vertreter als solcher die Löschung des Nacherbenvermerks bewilligen, weil er damit eine Verpflichtung des Minderjährigen aus dem Kaufvertrag erfüllt; der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf es aus diesem Grunde nicht.[84] Hat der Erblasser den Vorerben zu Grundstücksverfügungen unter Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot bevollmächtigt (insbesondere auch im Rahmen einer Generalvollmacht), so kann der Vorerbe unter Berufung auf die Vollmacht den Nacherbenvermerk zur Löschung bewilligen.[85]

 

Rz. 47

Die Nacherbenzustimmung zur Löschung des Nacherbenvermerks bedarf materiell-rechtlich keiner Form;[86] für das Grundbuchverfahren ist § 29 GBO zu beachten.

 

Rz. 48

Die vom Elternteil, Vormund, Betreuer oder Abwesenheitspfleger für den gesetzlich Vertretenen abgegebene Löschungsbewilligung bedarf der familien- bzw. betreuungsgerichtlichen Genehmigung, §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1, 1888 BGB, wobei sich das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung über die Genehmigung nur vom Interesse der Nacherben bzw. (noch) nicht existierenden Nacherben leiten zu lassen hat.[87]

[78] OLG München FGPrax 2015, 13, 15; BayObLG NJW-RR 1989, 1096.
[82] OLG Stuttgart ZEV 2010, 94; krit. dazu Heinze, ZEV 2010, 95; BayObLG Rpfleger 1982, 277.
[83] Bauer/v. Oefele/Schaub, GBO, § 51 Rn 125; offen gelassen von BayObLG DNotZ 1996, 50.
[84] BayObLG DNotZ 1996, 50.
[85] OLG Stuttgart ZEV 2019, 530 m. Anm. Muscheler.
[86] MüKo/Lieder, BGB, § 2113 Rn 28.
[87] BayObLG NJW-RR 2003, 649.

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