Rz. 45

Die h.M. verlangt die Vorlage des Erbscheins in Ausfertigung oder Urschrift, wobei letztere Möglichkeit jedoch faktisch ausscheidet, nachdem heute die Urschrift typischerweise im Nachlassakt verbleibt und "nur" Ausfertigungen herausgegeben werden. Eine beglaubigte Abschrift genüge grundsätzlich nicht, da der Besitz des Erbscheins rechtliche Bedeutung habe (§ 2361 BGB).[68] Der Besitz müsse zum Zeitpunkt der Eintragung nachgewiesen sein.[69] Diese Ansicht ist ungeachtet der beinahe einhelligen Zustimmung, die sie erfährt, abzulehnen. Der Vertrauensschutz des Erbscheins ist abstrakt, d.h. unabhängig vom Besitz an einer Ausfertigung, ausgestaltet.[70] Sonst könnte außerdem die Vorlage des Erbscheins nicht durch eine Bezugnahme auf den Nachlassakt desselben Gerichts ersetzt werden. Auch dabei hat der Antragsteller keinen Besitz.

 

Rz. 46

Die Verpflichtung zur Vorlage der Ausfertigung auch beim GBA erschwert vielmehr die Vertragsabwicklung und verlangt bei dinglichen Verfügungen die Beibehaltung der Gutglaubensposition über den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hinaus bis zum Grundbuchvollzug.

Das aber kann den Vertragspartner düpieren und den zu seinen Gunsten angeordneten Redlichkeitsschutz empfindlich beschränken. Richtig ist vielmehr eine Gleichbehandlung mit der Vorlage von Vollmachtsurkunden: Es genügt die Vorlage der Ausfertigung bei Beurkundung der Verfügung und Weiterleitung dieses "Wissens" an das GBA durch Fertigung einer beglaubigten Abschrift.[71]

Die Vorlage kann ersetzt werden durch Verweisung auf die Nachlassakten des gleichen Gerichts.[72] Ebenso können die Erben beim Nachlassgericht beantragen, dass die Nachlassakte mit der darin enthaltenen Erbscheinsanordnung dem GBA zum Nachweis der Erbfolge zugeleitet wird.[73] Ein vom Richter verfügter, jedoch wegen fehlender Kostenzahlung nicht ausgehändigter Erbschein genügt indes nicht.[74]

 

Rz. 47

Werden mehrere auf den Nachweis der Erbfolge gestützte Anträge von einem Notar an verschiedene GBA gestellt, so genügt angeblich die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Erbscheins, wenn der Notar versichert, dass sich die Ausfertigung in seinem Besitz befindet.[75]

[68] OLG Schleswig SchlHA 1949, 375; KG DNotZ 1972, 615; BayObLG BayObLGZ 1994, 160; OLG Naumburg ZEV 2016, 165.
[69] BayObLG BayObLGZ 1960, 192.
[70] Für alle: Grüneberg/Weidlich, § 2366 Rn 1; BGH BGHZ 33, 317.
[71] Zweifelnd aber z.B.: KG DNotZ 1972, 615.
[72] BGH DNotZ 1982, 159 ff.; BGH Rpfleger 1982, 16; OLG Bremen ZEV 2011, 586.
[73] BayObLG BayObLGZ 1960, 501 ff. = Rpfleger 1961, 437; KG Rpfleger 1981, 497 ff.; auch zweifelhaft: Die Erbscheinsanordnung (§ 352 FamFG) ist nicht der Erbschein selbst. Wenn, dann muss dem GBA der Erbschein zugeleitet werden.
[74] OLG Hamm Rpfleger 1994, 248; zweifelhaft: Die Richtigkeit des Grundbuchs hängt nicht von einer Kostenzahlung ab.
[75] SchlHOLG SchlHA 1949, 374: zweifelhaft. Besser, man beschafft sich zusätzliche Ausfertigungen.

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