Rz. 4

Der Vorbehalt gestattet dem Landesgesetzgeber auf den landesrechtlichen Reservatgebieten von den Vorschriften der GBO abzuweichen, und zwar grundsätzlich von allen ihren Vorschriften.[2] Er kann andere Behörden als die Amtsgerichte zu Grundbuchämtern machen; er kann die Bezirke der Ämter selbstständig regeln, über die Bezeichnung der Grundstücke, über die Art der Buchung (ob Personal- oder Realfolium, ob Buchung von Grundstücken oder auch von Anteilen an solchen) Bestimmungen treffen, die materiellen Eintragungsgrundlagen anders ordnen usw. Eine Ausnahme wird jedoch zu machen sein: Der Landesgesetzgeber kann nicht für befugt gehalten werden, eine Regelung vorzunehmen, die die vom Reichs- oder Bundesgesetzgeber für sein Gebiet vorgenommene Regelung berührt und mit ihr im Wesen und Grundsatz nicht vereinbar ist.

 

Rz. 5

Der Landesgesetzgeber kann z.B., wie schon hervorgehoben, andere Behörden als die Amtsgerichte zu Grundbuchämtern machen. Tut er dies aber nicht, sondern bedient er sich der Amtsgerichte zu diesem Zwecke, so muss die Vertretung des Grundbuchamts nach außen, die "sachliche Zuständigkeit der Grundbuchbeamten", einheitlich sein.[3] Es würde zu großer Rechtsunsicherheit und Unklarheit führen, wenn dasselbe Amtsgericht in diesem Punkte nach verschiedenen Vorschriften zu verfahren hätte, je nachdem, ob es sich um bundes- oder landesrechtliche Angelegenheiten handelt. Bedient sich der Landesgesetzgeber der Amtsgerichte als Grundbuchämter, so muss er auch ihre bundesrechtlich festgesetzte Verfassung hinnehmen.

 

Rz. 6

Das war auch der Standpunkt, der in § 20 AVO-GBO zum Ausdruck gekommen ist, wo hervorgehoben wurde, dass die reichsrechtlichen (bundesrechtlichen) Vorschriften über die funktionelle Zuständigkeit der Grundbuchbeamten künftig in landesrechtlichen Angelegenheiten gelten. Lediglich für Baden-Württemberg verblieb es bis zum Jahre 2018 in dieser Beziehung bei dem bisherigen Landesrecht.

 

Rz. 7

Ähnliches gilt für die formelle Einrichtung der Grundbücher (vgl. § 103 GBV). Der Landesgesetzgeber könnte für die ihm allein unterstehenden Rechtsgebiete besondere Vordrucke einführen, wie er das auch vielfach getan hat (vgl. die Berg- und Bahngrundbücher).[4] Er kann aber nicht die nach dem Vordruck der GBV geführten allgemeinen Grundbücher benutzen, sich in ihren Rahmen einfügen und dann versuchen, sie durch wesentliche Änderungen umzugestalten. Damit würde eine geordnete Grundbuchführung, die eine einheitliche Ausgestaltung des Vordrucks in den Ländern fordert, unmöglich gemacht. Dagegen steht nichts im Wege, dass der Landesgesetzgeber landesrechtliche Sondergestaltungen dem nach dem Vordruck der GBV geführten Grundbuch zur Aufnahme zuweist, auch über ihre formelle Behandlung Sondervorschriften erlässt, solange diese mit den Grundsätzen der bundesrechtlichen Vorschriften nicht in Widerspruch stehen.

 

Rz. 8

Besonderheiten bestehen bei der Anlegung eines Grundbuchblatts für eine Fischereigerechtigkeit nach preuß. Recht im Land Berlin[5] oder in Bayern (dazu §§ 6 ff. BayVO v. 7.10.1982 (GVBl, 892).[6] Für die Anlegung eines Grundbuchblattes für ein selbstständiges grundstücksgleiches Fischereirecht in Baden-Württemberg gilt das FischereiG für Baden-Württemberg v. 14.11.1979 (GVBl, 466).[7]

 

Rz. 9

Die erlassenen Landesgesetze bleiben bestehen, soweit sie aufgrund des Vorbehalts des § 143 Abs. 1 Hs. 1 (früher § 83, § 136 a.F. bzw. § 83, 117 a.F.) wirklich erlassen sind, nicht schon soweit sie aufgrund dieses Vorbehalts hätten erlassen werden können. Wenn z.B. das Württembergische AGBGB bestimmte, dass in jeder Gemeinde ein staatliches Grundbuchamt besteht und dass der zuständige Bezirksnotar Grundbuchbeamter ist, so beruhte diese Bestimmung, auch soweit sie auf landesrechtliche Grundbuchsachen Anwendung fand, nicht auf dem Vorbehalt des früheren § 83, sondern auf dem stillschweigenden, in § 1 der alten GBO enthaltenen Vorbehalt für die Länder, die Grundbuchämter zu organisieren (siehe für die Zeit ab 1.7.1975 näher §§ 1 Abs. 3, 26–35, 47, 48 Abs. 2, 50 Bad. Württ. LFGG v. 12.2.1975, GVBl, 116; Gesetz zur Reform des Notariats- und Grundbuchwesens in Baden-Württemberg v. 29.7.2010 (GBl, 555)). An eine stoffliche Unterscheidung zwischen reichs- und landesrechtlichen Grundbuchsachen war dabei nicht gedacht. Demnach fällt die genannte Bestimmung in Württemberg ganz und gar fort, wenn dort § 1 in Kraft tritt; nicht etwa bleiben die Gemeindegrundbuchämter für die landesrechtlichen Grundbuchsachen bestehen.

[2] Meikel/Böhringer, § 143 Rn 9; Bauer/Schaub/Bauer, § 143 Rn 2.
[3] Meikel/Böhringer, § 143 Rn 10.
[4] Meikel/Böhringer, § 143 Rn 12.
[5] KG OLGZ 75, 138.
[6] BayObLGZ 1969, 118 = Rpfleger 1969, 244; BayObLGZ 1972, 226 = MittBayNot. 1972, 236; BayObLGZ 1990, 66; 1994, 226 = Rpfleger 1994, 453; BayObLGZ 1995, 13 = NJW-RR 1995,1044.
[7] Böhringer, BWNotZ 1984, 153; 1985, 153; 1986, 126; Schmid, BWNotZ 1978, 21; 1981, 73; 1986, 117; Ulshöfer, BWNotZ 1990, 13; Schröder, BWNotZ 1994, 97 jeweils m.w.N.

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