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Mit Erlöschen der durch die Grundschuld gesicherten Forderung beziehungsweise aller in die Sicherungsabrede einbezogenen Forderungen,[114] mithin bei Wegfall des Sicherungszweckes geht die Grundschuld nicht kraft Gesetzes auf den Grundstückseigentümer über, sie bleibt in der Hand des Gläubigers (keine analoge Anwendung des § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB).[115] Mit Wegfall des Sicherungszweckes hat der Grundstückseigentümer einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückgewähr der von ihm gegebenen Sicherheit, also der Grundschuld. Dieser schuldrechtliche Rückgewähranspruch ist Teil des Sicherungsvertrages, letztlich kann er auch aus § 812 BGB hergeleitet werden.[116] Die Gefahr für den Grundstückseigentümer gegenüber der Hypothek besteht darin, dass der Grundschuldgläubiger trotz Rückgewähranspruch über die Grundschuld verfügen kann, er sie beispielsweise an einen Dritten abtreten kann, und dieser gutgläubig einredefrei erwirbt (§ 1157 S. 2 mit § 892 BGB).[117] Aber auch bei der Hypothek ist der Grundstückseigentümer praktisch nicht besser gestellt, weil trotz der §§ 1163 Abs. 1 S. 2, 1177 Abs. 1 BGB die Hypothek noch als Fremdrecht im Grundbuch eingetragen ist und insoweit die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs besteht. Der Rückgewähranspruch des Eigentümers ist übertragbar[118] und pfändbar, er kann auf drei Arten erfüllt werden:[119]

a) Übertragung der Grundschuld; der Grundschuldgläubiger hat die Grundschuld nach §§ 1154, 413, 398 BGB an den Grundstückseigentümer zu übertragen, sodass rechtsgeschäftlich eine Eigentümergrundschuld entsteht; hinsichtlich rückständiger Zinsen gilt § 1187 BGB, hinsichtlich der weiteren Verwendung der Grundschuld gilt § 1197 BGB.
b) Verzicht auf die Grundschuld; der Grundschuldgläubiger hat gem. § 1168 BGB auf die Grundschuld zu verzichten; es entsteht kraft Gesetzes eine Eigentümergrundschuld; im Unterschied zur Übertragung der Grundschuld ist diese Eigentümergrundschuld aber nicht dingliches Surrogat der vorherigen Fremdgrundschuld, sie entsteht gleichsam neu; diese Unterscheidung hat Bedeutung für die Frage der Wirkungen der Pfändung des Rückgewähranspruchs (siehe unten Rdn 54).
c) Aufhebung der Grundschuld; der Grundschuldgläubiger hat gem. §§ 875 und 1183 BGB die Grundschuld aufzuheben, sie wird im Grundbuch gelöscht; der Grundstückseigentümer erwirbt kein Grundstücksrecht, nachrangige Berechtigte rücken im Range auf.

In welcher Art und Weise der Rückgewähranspruch zu erfüllen ist, richtet sich zunächst nach den Bestimmungen des Sicherungsvertrages. Enthält dieser keine Regelung, kann der Grundstückseigentümer als Berechtigter des Anspruchs wählen.[120] In der Praxis wird regelmäßig die Aufhebung der Grundschuld als Form der Rückgewähr bestimmt (Formulierung in den Bestellungsurkunden: "Der Grundstückseigentümer hat nur Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung"). Als AGB ist dies aber für den Fall unzulässig, bei welchem der Sicherungsgeber im Zeitpunkt der Rückgewähr nicht mehr Grundstückseigentümer ist.[121]

Wird der Rückgewähranspruch gepfändet, kann der Vollstreckungsgläubiger grundsätzlich die Löschung der Grundschuld verlangen.[122] Der Vollstreckungsgläubiger, der einen Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr einer Grundschuld pfändet, ist aber nicht berechtigt, die Sicherungsvereinbarung oder die Geschäftsbeziehung zum Sicherungsnehmer zu kündigen.

[114] Zur Sicherungsabrede allg. Clemente, Rn 262 ff., 282 ff.; Rauch/Zimmermann, Rn 203 ff.; zur Unzulässigkeit sog. weiter Sicherungsabrede bei Fremdsicherheit BGHZ 83, 56 und BGHZ 100, 82.
[115] RGZ 145, 157; BGH DNotZ 1957, 602 = Rpfleger 1958, 51.
[116] BGH Rpfleger 1985, 103; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 2335.
[117] BGHZ 59, 1 = NJW 1972, 1463 und BGHZ 85, 388 = NJW 1983, 752; vgl. auch MüKo-BGB/Lieder, § 1191 Rn 100 ff.
[118] BGH DNotZ 1977, 542 = NJW 1977, 247 = Rpfleger 1977, 56; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 2342; zur Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts zur Abtretung BGHZ 232, 265 = DNotZ 2023, 133 = MittBayNot 2022, 549.
[119] BGHZ 108, 237 = DNotZ 1990, 581 = NJW 1989, 2536 = Rpfleger 1990, 32; BGH NJW 2000, 2499; MüKo/Lieder, BGB, § 1191 Rn 146 ff.; Grüneberg/Herrler, BGB, § 1191 Rn 32 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 2304, 2337 ff.; Clemente, Rn 395 ff.; Lettl, WM 2002, 788; zur Verjährung Amann, DNotZ 2002, 94; Wolfsteiner, DNotZ 2001, 902; ders., DNotZ 2003, 321.
[120] BGHZ 108, 237 = DNotZ 1990, 581 = NJW 1989, 2536 = Rpfleger 1990, 32; im Zusammenhang mit Pfändung Stöber, Rpfleger 1959, 84.
[121] BGH ZIP 2014, 1725 = DNotI-Report 2014, 134; BGHZ 106, 375.
[122] BGH DNotZ 2023, 139 = NJW 2022, 2544 = Rpfleger 2023, 115.

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