Rz. 31

Das Grundbuchverfahrensrecht dient der Verwirklichung des materiellen Rechts, indem es die notwendige Eintragung herbeiführt (siehe Rdn 10). Es hat daher eine dienende Funktion[81] und muss sich dem materiellen Recht unterordnen, wo es mit diesem in Konflikt zu geraten droht. Es gilt ebenso wie für die ZPO oder die StPO: Die Verfahrensbestimmungen der Prozessordnungen sind Hilfsmittel für die Verwirklichung oder Wahrung von Rechten; dabei soll die Durchsetzung des materiellen Rechts so wenig wie möglich an Verfahrensfragen scheitern.

 

Rz. 32

Das bedeutet aber nicht, einer mehr oder minder konsequenten Subsidiarität oder gar immanenten Pflicht zur Missachtung des Grundbuchverfahrensrechts das Wort zu reden. Die Lösungen für Probleme sind weiterhin zunächst im Verfahrensrecht zu suchen.[82] Dies gilt insbes. dort, wo das Verfahrensrecht an die Form einer Erklärung höhere Anforderungen stellt als das materielle Recht. Zwar bedarf die Einigung nach § 873 BGB grundsätzlich keiner bestimmten Form, die Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO bedarf aber selbstverständlich mindestens öffentlich-beglaubigter Form (§ 29 Abs. 1 S. 1 GBO). Auch kann ein schuldrechtlicher Vertrag nach den Regeln des BGB lediglich mündlich geschlossen werden. Wenn der Kläger im Zivilprozess das Zustandekommen aber nicht beweisen kann, weil der Vertragspartner dies bestreitet und kein Zeugenbeweis erbracht werden kann, wird er seine Klage aber dennoch verlieren. Auch hier zeigt sich, dass das Verfahrensrecht im Interesse der Rechtssicherheit formell höhere Anforderungen stellen darf als das materielle Recht. Das Verfahrensrecht darf gerade hinsichtlich seiner Formerfordernisse nicht beliebig missachtet werden, um einem vermeintlich höheren Ziel zum Erfolg zu verhelfen. Zum Tragen kommt das Verhältnis zum materiellen Recht in solchen Fällen, in denen das Verfahrensrecht schweigt oder in denen es für zwei Lösungswege offen ist. Dann muss derjenige Weg gegangen werden, der die Ziele und Wertungen des materiellen Rechts beachtet und ihnen zum Durchbruch verhilft. Zu nennen sind bspw. die Fragen, ob der Rechtserwerb nach § 878 BGB stattfinden kann, wenn der verlierende Teil den Antrag gestellt hat, oder ob das Grundbuchamt in Kenntnis der bestehenden Grundbuchunrichtigkeit einen Erwerb kraft öffentlichen Glaubens durch Vornahme der Eintragung ermöglichen darf.

[81] Allg. für das Prozessrecht BGHZ 10, 350, 359; BGH NJW 1960, 1947, 1948; zum Grundbuchverfahren Eickmann/Böttcher, Grundbuchverfahrensrecht, Rn 148, 227, 270.
[82] Siehe auch Habscheid, ZZP 1990 (1977), 199, 200; Quack, Rpfleger 1978, 197, 198.

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