Leitsatz

Verreist jemand für längere Zeit, muss er Sorge tragen, dass der Briefkasten ordentlich verschließbar ist und regelmäßig geleert wird. Noch besser ist es, wenn man einer Person seines Vertrauens Postvollmacht gibt und den Postboten vorab darüber informiert. Andernfalls können zwischenzeitlich zugestellte Urteile rechtskräftig werden.

 

Sachverhalt

Die Klägerin verklagte einen Gewerbetreibenden auf rückständige Zahlung für gelieferte Ware über ca. 18000 EUR. Die Klageschrift wurde durch Niederlegung mittels Einwurf eines Benachrichtigungszettels in den Briefkasten der Beklagten zugestellt. Das LG hat der Beklagten eine Frist von 2 Wochen zur Anzeige der Ver­­teidigungsbereitschaft gesetzt und auf die Folgen einer Fristversäumnis gem. §§ 276 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO hingewiesen.

Nachdem die Beklagte ihre Verteidigungsbereitschaft nicht anzeigte, hatte das LG gegen sie Versäumnisurteil erlassen. Es wurde ihr am14.8.2009 durch Einwurf in den Briefkasten zu ihrer Privatanschrift zugestellt. Am 14.9.2009 wurde ihr ein auf­grund des Versäumnisurteils ergangenes vorläufiges Zahlungsverbot vom 28.8.2008 zugestellt. Die Beklagte hat am 21.9.2009 Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt, Prozesskostenhilfe beantragt und mit Schriftsatz vom 30.9.2009 Wiedereinsetzung in die abgelaufene Einspruchsfrist.

Zur Begründung trug sie vor, dass sie sich vom 3.7.2009 bis zum 28.8.2009 zu ärztlichen Behandlungen und zu Verwandtenbesuchen an wechselnden Orten im Ausland aufgehalten und den Benachrichtigungszettel über die Niederlegung der Klageschrift nach Rückkehr in ihrem Briefkasten vorgefunden und die Klageschrift am1.9.2009 am Niederlegungsort abgeholt habe. Das Versäumnisurteil vom 5.8.2009 sei nicht in der Post gewesen; vielmehr habe sie von dessen Existenz erst mit Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots erfahren.

Das LG ließ die Argumente nicht gelten und auch vor dem OLG hatte die Beklage mit ihrer Berufung keinen Erfolg. Der Antrag auf Wiedereinsetzung war verspätet:

  • Ein Fristwahrungshindernis ist bereits dann als i.S. v. § 234 Abs. 2 ZPO behoben, wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann.
  • Der Betroffene kann nur dann mit der Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist rechnen, wenn er sich in zumutbarer Weise ausreichend um die Wahrung seiner Interessen gekümmert hat.
  • Die Beklagte hat ab dem 1.9.2009 Kenntnis davon, dass eine gegen sie gerichtete Klageschrift bereits unter dem 14.7.2009 zugestellt worden war und durfte sich aufgrund des in der Klageschrift enthaltenen Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils und aufgrund der Verfügung des LG Kenntnis nicht davor verschließen, dass bei Versäumung der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft der Erlass eines Versäumnisurteils droht. Sie konnte sich auch der Kenntnis davon nicht verschließen, dass die Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft bereits seit mehr als einem Monat abgelaufen war und die Möglichkeit bestand, dass in der Sache bereits ein Versäumnisurteil ergangen war.
 

Kommentar

Die Beklagte durfte sich nicht darauf verlassen, dass keine Post aus dem Briefkasten abhanden gekommen war, wenn dies in der Vergangenheit schon passiert war. Sie hätte sich am 1.9.2009 beim LG telefonisch erkundigen müssen, ob auf die Zustellung der Klageschrift bereits ein Versäumnisurteil erlassen wurde. Der Antrag auf Wiedereinsetzung hätte daher spätestens am 15.9.2009 gestellt werden müssen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Urteil vom 04.03.2010, 2 U 191/09.

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