Leitsatz

Keine Räumungsverpflichtung des Wohngeldschuldners der ihm belassenen, unter Zwangsverwaltung stehenden Wohnung trotz weiter auflaufender Wohngeldschulden

 

Normenkette

§ 149 Abs. 1 und Abs. 2 ZVG

 

Kommentar

  1. Über erwirkte Wohngeldtitel hatte die Gemeinschaft eine Zwangsverwaltung hinsichtlich der Wohnung des Schuldners erwirkt. Der Zwangsverwalter beließ allerdings gem. § 149 Abs. 1 ZVG die Wohnung dem Schuldner (als für ihn "unentbehrlich"). Der Schuldner zahlte auch weiterhin keine laufenden Wohngelder. Der neuerlich von der Gemeinschaft daraufhin gestellte Antrag, dem Schuldner nach § 149 Abs. 2 ZVG aufzugeben, aus "Gefährdungsgründen" des Eigentums oder der Verwaltung die Wohnung zu räumen und an den Zwangsverwalter herauszugeben, blieb allerdings in allen drei Instanzen ohne Erfolg.
  2. Selbst die Nutzung ohne weitere Wohngeldzahlungen bedeutet "keine Gefährdung"des Wohnungseigentums oder der Zwangsverwaltung, um durch das Vollstreckungsgericht einen Räumungsanspruch durchsetzen zu können. Sinn des § 149 Abs. 1 ZVG (Besitzbelassung) ist es, die Obdachlosigkeit eines Schuldners und seiner Familie auch in der Zwangsverwaltung zu verhindern. Von einer Gefährdung im Sinne des § 149 Abs. 2 ZVG ist allerdings auch dann nicht auszugehen, wenn ein Schuldner weitere Forderungen der Gemeinschaft auf laufende Wohngeldzahlung nicht erfüllt.

    Grds. wird die Wohngeldzahlungspflicht von einer Anordnung der Zwangsverwaltung nicht berührt. Zahlungen hat hier der Zwangsverwalter zu erbringen. Ist er aus Verwaltungserträgen hierzu nicht in der Lage, hat der die Anordnung der Zwangsverwaltung erwirkende Gläubiger dem Zwangsverwalter die notwendigen Beträge als Vorschuss bereitzustellen. Im vorliegenden Fall leistete auch die Gemeinschaft das auf die Schuldnerwohnung entfallende Wohngeld. Somit war nicht von einem Gefährdungstatbestand des zwangsverwalteten Wohnungseigentums auszugehen. Gerade die vom Zwangsverwalter zu erbringenden Zahlungen führen dazu, eine Gefährdung des Eigentums des Schuldners und des Grundstücks zu vermeiden. Die Vorschusszahlung durch die Gemeinschaft an den Zwangsverwalter ist Folge der Finanzausrüstung und -struktur einer Wohnungseigentümergemeinschaft als betreibender Gläubigerin, für die ein Schuldner grds. nicht verantwortlich ist.

  3. Eine Gemeinschaft kann in einem solchen Fall unter den Voraussetzungen von § 18 WEG vom Schuldner die Veräußerung seiner Wohnung verlangen und so dessen Ausscheiden aus der Gemeinschaft herbeiführen (vgl. BGH, NZM 2007, 290). Darüber hinaus ist die Forderung der Gemeinschaft auf Wohngeld in der Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums – nunmehr – gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG grds. im Rang vor den Ansprüchen aus Grundpfandrechten zu befriedigen. Die Titulierung einer Wohngeldforderung eröffnet gem. § 10 Abs. 3 ZVG der Gemeinschaft das Zwangsversteigerungsverfahren mit dem Recht zur vorrangigen Befriedigung nach dieser Bestimmung § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG.

    Dass ein Schuldner seiner Verpflichtung zur Zahlung des laufenden Wohngelds nicht nachkommt, verteuert die Zwangsverwaltung für einen betreibenden Gläubiger, gefährdet sie jedoch nicht.

    Ziel der Zwangsverwaltung ist es grds., dem Gläubiger die Erträge aus der Vermietung oder Verpachtung der zwangsverwalteten Immobilie zukommen zu lassen. Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn eine Wohnung dem Schuldner nach § 149 Abs. 1 ZVG zu belassen war. Insoweit kann es keine Befriedigung einer Gläubigerforderung für weitere Zahlungsverpflichtungen eines Schuldners geben (BGH, NZM 2005, 637). Eine hiervon abweichende Auffassung hätte zur Folge, dass einem Schuldner, der nicht nur die titulierte Forderung, sondern auch das laufende auf die von ihm genutzte Wohnung entfallende Wohngeld nicht bezahlen kann, der von § 149 Abs. 1 ZVG beabsichtigte Schutz nicht zugute käme und sich die prekäre Situation des Schuldners zum Vorteil des Gläubigers auswirkte.

Anmerkung

In solchen Fällen empfiehlt sich deshalb nur das Entziehungs- bzw. Versteigerungsverfahren.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 24.01.2008, V ZB 99/07 = NZM 6/2008, 209

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