Leitsatz

Auch nach unangefochtener und damit bestandskräftig gewordener Beschlussfassung über die Erweiterung eines gemeinschaftlichen Schwimmbads kann ein in der betreffenden Versammlung nicht anwesender Eigentümer seine spätere anteilige Kostenbelastung durch Anfechtung des Abrechnungsgenehmigungsbeschlusses erfolgreich angreifen, und zwar unabhängig davon, ob er seinerzeit zu dieser baulichen Veränderungsmaßnahme zustimmungspflichtig war oder nicht

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 16 Abs. 6 und 22 Abs. 1 WEG

 

Kommentar

  1. Die Gemeinschaft hatte Ende 2007 mehrheitlich beschlossen, das gemeinschaftliche Schwimmbad zu sanieren und unter Einbeziehung einer Raumfläche der bisher gemeinschaftlichen Hausmeisterwohnung um einen Ruheraum für das Schwimmbad zu erweitern. Zur Finanzierung dieser baulichen Veränderungsmaßnahme wurde eine nach Miteigentumsanteilen aufzuteilende Sonderumlage beschlossen. Nach Durchführung der Maßnahme kam es dann 2009 zu entsprechenden Abrechnungsgenehmigungsbeschlüssen. Ein Eigentümer, welcher der Eigentümerversammlung 2007 ferngeblieben war, focht die nachträgliche Abrechnung mit seiner anteiligen Kostenbelastung an, und zwar unter Hinweis darauf, dass er seinerzeit der Veränderungsmaßnahme nicht zugestimmt habe und deshalb auch gemäß § 16 Abs. 6 WEG nicht anteilig mit Kosten belastet werden könne.

    Das Amtsgericht München gab dem Kläger in ausführlicher wissenschaftlicher Begründung mit Urteil vom 23.9.2010 (ZMR 2011 S. 170) unter Berufung auf wohl h.M. Recht. Demgegenüber hatte beim LG München I die Berufung der beklagten Eigentümer im Urteil vom 28.2.2011, 1 S 19089/10, ETW Gruppe 2, S. 7809 ff. = ZMR 2011 S. 504 Erfolg (wohl unter Hinweis auf eine bisher vertretene Mindermeinung zur Auslegung des § 16 Abs. 6 WEG, vertreten u.a. auch von Spielbauer/Then zu § 16 Rn. 71). Die zugelassene Revision des Eigentümers hiergegen hatte nun beim BGH abschließend Erfolg, der damit die Erstentscheidung des Amtsgerichts München bestätigte.

  2. Vorliegend handelte es sich bei der Beschlussfassung über die Schwimmbaderweiterung unstreitig um eine bauliche Veränderungsmaßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG mit dort auch grds. geregelter Beschlusskompetenz. Es ging hier weder allein um eine ordnungsgemäße Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahme nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG (vgl. BGH, Urteil v. 13.5.2011, V ZR 202/10) noch um eine Modernisierungsmaßnahme im Sinne einer Anpassung an den aktuellen Stand der Technik gemäß § 22 Abs. 2 WEG. § 16 Abs. 6 WEG ist laut BGH allerdings nach seinem Wortlaut nur auf solche bauliche Veränderungsentscheidungen gemäß § 22 Abs. 1 WEG zugeschnitten. Damit können Eigentümer zur anteiligen Kostentragung für solche Kosten nicht verpflichtet werden, wenn sie tatsächlich der Maßnahme nicht zugestimmt haben.

    Eine Kostenbefreiung hängt damit auch nicht davon ab, ob eine solche Maßnahme nach § 22 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Nr. 1 WEG eine Zustimmung des Eigentümers erforderte oder nicht. Maßgeblich ist allein die Tatsache, dass ein Eigentümer der Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG nicht zugestimmt hat, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er nach § 14 Nr. 1 WEG als duldungspflichtig anzusehen war oder eben nicht.

    Wie häufig werden auch die Kosten solcher durchgeführten Maßnahmen erst im Zusammenhang mit der nachfolgenden Abrechnung finanziell abgewickelt. Eine Kostenbefreiung einzelner Eigentümer kann hier i. Ü. durchaus auch im Hinblick auf Gebrauchsberechtigungen zu Folgeproblemen führen. Ausgehend vom Wortlaut des § 16 Abs. 6 WEG ist in solchen Fällen nicht zu differenzieren, ob Eigentümer zustimmungspflichtig sind oder nicht. Jedenfalls muss ein nicht zustimmender Eigentümer nicht Kostennachteile hinnehmen, selbst wenn er den seinerzeitigen Beschluss nicht angefochten hat und dieser folglich Bestandskraft erlangte, ohne dass im Maßnahmebeschluss schon die Kostenverteilung abschließend mitgeregelt war. Das Gesetz zwingt deshalb den Eigentümer nicht zur Anfechtung allein im Hinblick auf spätere Kostenfolgen im Rahmen der Abrechnung.

Anmerkung

Mich überzeugt diese neue Auslegungsmeinung zu § 16 Abs. 6 WEG durch den BGH nicht, auch wenn sie sich strikt am Wortlaut des § 16 Abs. 6 WEG in derzeitiger Formulierung orientiert. Eher überzeugt mich die dem entgegenstehende Meinung des Berufungsgerichts (LG München I) im Hinblick auf teleologische Auslegung im Kontext und dem systematischen Zusammenhang der §§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 und 16 Abs. 6 WEG.

Bisherige Praxis

Die vertretene Mindermeinung des Landgerichts entsprach wohl auch weitgehend bisheriger Praxis im Sinne der insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 16 Abs. 3 WEG a.F. Wenn sich ein einzelner Eigentümer gegen Veränderungsmaßnahmen mit zu erwartender Kostenbelastung als grds. zustimmungspflichtig zur Wehr setzen wollte, war ihm bisher die Anfechtung eines solchen Mehrheitsbeschlusses (ohne seine erfolgte Zustimmung) anzuraten. Er besaß also im Fall eines Überstimmtwerdens die sog. Anfechtungslast. Bestätigte das Gericht im Anfechtungsprozess seine Beeintr...

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