Leitsatz

1. Beschlussfassung über die Erweiterung eines gemeinschaftlichen Schwimmbads als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG

2. Seitens eines zustimmungspflichtigen Eigentümers unangefochten gebliebener Beschluss über bauliche Veränderung ersetzt die grundsätzlich erforderliche, jedoch fehlende Zustimmung im Sinne einer Duldungspflicht und führt dann auch zu anteiliger Kostentragungspflicht dieses Eigentümers in späterer Abrechnung (ohne nachträgliche Befreiungsmöglichkeit nach § 16 Abs. 6 WEG)

3. Eine in Ergänzung des Wirtschaftsplans beschlossene Sonderumlage hat hinsichtlich der Kostenverteilung nur Prognosecharakter und muss damit noch nicht den endgültigen, erst später abzurechnenden Verteilungsschlüssel festlegen

4. Zugelassene Revision hinsichtlich Ziffer 2.

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1 und 16 Abs. 2 und 6 i.V.m. § 22 Abs. 1 WEG

 

Kommentar

  1. Zum Sachverhalt:

    In einer Gemeinschaft wurde 2007 mehrheitlich beschlossen, das gemeinschaftliche Schwimmbad zu sanieren und gleichzeitig durch Hinzunahme eines Teils der ehemaligen Hausmeisterwohnung zu erweitern. Zur Finanzierung hierfür wurde anschließend u.a. eine Sonderumlage beschlossen, und zwar mit Umlageschlüssel nach Miteigentumsanteilen. Bei diesen Beschlussfassungen hatte der Kläger nicht mitgestimmt, da er bei dieser Versammlung nicht persönlich anwesend und auch nicht vertreten war. Die Beschlüsse wurden mangels Anfechtung bestandskräftig. Nach Durchführung der beschlossenen Maßnahmen erfolgte Abrechnungsgenehmigung durch Beschluss 2010, auch mit anteiliger Kostenbelastung des Klägers in seiner Einzelabrechnung. Diesen Abrechnungsgenehmigungsbeschluss focht der Kläger mit der Begründung an, dass er einer solchen baulichen Veränderung seinerzeit nicht zugestimmt habe und deshalb von einer Kostentragungspflicht nach § 16 Abs. 6 WEG hätte befreit werden müssen.

    Während das Amtsgericht der Klage stattgab, und zwar unter Hinweis darauf, dass § 16 Abs. 6 WEG auf den Kläger anwendbar sei, wenn er der baulichen Veränderung nicht zugestimmt habe (auch unabhängig davon, ob er nach § 22 Abs. 1 WEG zustimmungspflichtig gewesen wäre oder nicht), vertrat nun das Berufungsgericht die gegenteilige Ansicht und wies die Klage gegen den Abrechnungsgenehmigungsbeschluss zurück, ließ allerdings die Revision zu.

  2. Aus den Gründen:

    2.1 Was den angefochtenen Sonderumlagebeschluss zur Finanzierung der zuvor beschlossenen Schwimmbadsanierung und -erweiterung betrifft, wird hier ein mitbeschlossener Kostenverteilungsschlüssel noch nicht endgültig festgelegt; eine Sonderumlage hat als Ergänzung des Wirtschaftsplans lediglich Prognosecharakter und steht als grundsätzlich nur vorläufige Regelung noch unter dem Vorbehalt der zu genehmigenden Jahresabrechnung (vgl. insoweit bereits LG München I, ZMR 2011 S. 64). Auch eine Teilfinanzierung aus einem Rücklagevermögen dient letztlich nur der kurzfristigen Überbrückung eines etwaigen Liquiditätsengpasses und bedeutet damit ebenfalls noch nicht die endgültige Kostenverteilung.
    2.2

    Eine Schwimmbaderweiterung ist eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG, der vorliegend der Kläger nicht zugestimmt hatte. Anteilige Kostenfreistellung kann er allerdings nach § 16 Abs. 6 WEG nicht mit Erfolg geltend machen. Denn diese Bestimmung ist auf ihn nicht anwendbar, da er gemäß § 22 Abs. 1 WEG zustimmungspflichtig gewesen wäre; die bestandskräftig beschlossene Maßnahme war nämlich für ihn gemäß § 14 Nr. 1 WEG nachteilig (in optischer Hinsicht, aus Gründen einer Erhöhung von Verkehrssicherungspflichten mit Haftungsrisiko aller Eigentümer, wegen teilweiser Auflösung der Hausmeisterwohnung sowie intensiver störender Nutzung).

    Allerdings ist die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 6 WEG auf gemäß § 22 Abs. 1 WEG nicht zustimmende Eigentümer trotz bestehender Zustimmungspflicht in bisheriger Rechtsprechung und Literatur (die in den Entscheidungsgründen zitiert wurde) höchst umstritten. Zum Teil wird auch in solchen Fällen die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 6 WEG bejaht; nach anderer Ansicht setzt die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 6 WEG voraus, dass ein Eigentümer der Maßnahme nicht zugestimmt hat und auch nicht zustimmen brauchte, weil er nicht gemäß § 14 Nr. 1 WEG betroffen ist.

    2.3

    Das Berufungsgericht folgt hier entgegen der Meinung des Amtsgerichts der vorstehend zweitgenannten Auffassung einer Nichtanwendbarkeit des § 16 Abs. 6 WEG auf einen Eigentümer, der trotz grundsätzlicher Zustimmungspflicht nach §§ 22 Abs. 1 und 14 Nr. 1 WEG einer bestandskräftig genehmigten baulichen Veränderung nicht zugestimmt hat.

    Dies folgt zum einen aus der Gesetzessystematik; Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 WEG setzen voraus, dass alle nach § 14 Nr. 1 WEG betroffenen Eigentümer Zustimmung zu erteilen haben. § 16 Abs. 6 WEG kann damit nur für die Eigentümer virulent werden, die ohne Nachteilswirkung auch nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG zustimmen mussten. Dass § 16 Abs. 6 WEG darüber hinaus auch solche Maßnahmen erfasst, denen nicht alle betroffenen Eigentümer zugestimmt haben und die dami...

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