Leitsatz

  1. Nichtige Beschlussfassung zur generellen Änderung vereinbarter Kostenverteilung (hier: zu Balkoninstandsetzungen)
  2. Beschlussnichtigkeit auch hinsichtlich einer verbindlichen Auslegung vereinbarter Kostenverteilung, sofern mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen
  3. Ebenso Nichtigkeit eines Beschlusses im Fall eines widersprüchlichen Beschlussinhalts
 

Normenkette

§§ 16, 21, 23 WEG

 

Kommentar

  1. Vorliegend ging es in der Gemeinschaft um richtige Verteilung der Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten an Balkonen.

    Eine vom Gesetz oder den zwischen den Eigentümern getroffenen Vereinbarungen abweichende Kostenverteilung für Maßnahmen der Instandsetzung und Instandhaltung dürfen die Eigentümer gemäß § 16 Abs. 4 WEG nur für einen konkreten Einzelfall Beschluss fassen. Ein Beschluss, durch den generell auch künftig die Kosten vereinbarungsabweichend verteilt werden sollen, ist demgegenüber mangels Beschlusskompetenz nichtig.

  2. Umstände außerhalb des Beschlusswortlauts und des sonstigen Protokollinhalts können – sofern sie nicht nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind – für die Auslegung eines Beschlusses, der auch etwaige Sondernachfolger binden soll, grundsätzlich nicht herangezogen werden.
  3. Verbindliche Mehrheitsbeschlüsse können die Eigentümer damit nur in den im WEG vorgesehenen Fällen oder aufgrund einer sog. Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung fassen. Darüber hinausgehende gesetzes- oder vereinbarungsändernde Beschlüsse sind mangels Beschlusskompetenz nichtig (h.M.).
  4. Von Beschlussnichtigkeit ist auch auszugehen, wenn nicht eindeutig klar ist, ob ein Beschluss lediglich eine bestehende Rechtslage wiedergibt und deshalb nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass er die gesetzlichen Regelungen oder die getroffenen Vereinbarungen abändert.
  5. Auch ein widersprüchlicher Beschlussinhalt führt zur Nichtigkeit eines Beschlusses.
Anmerkung

Das Gericht hat in den Gründen zu Recht auch klargestellt, dass Eigentümer nicht befugt sind, eine Teilungserklärungsvereinbarung durch Beschluss verbindlich auszulegen, sofern mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen. Eine solche Berechtigung besteht weder nach dem WEG, noch ergibt sie sich aus der Teilungserklärung dieser Gemeinschaft. Eine Klarstellung und damit Auslegung von zwischen Eigentümern getroffenen Vereinbarungen stellt insbesondere keine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne des § 21 Abs. 1 WEG dar. Vielmehr obliegt die Auslegung von Vereinbarungen im Streitfall den damit befassten Gerichten. Eigentümer können nicht die gerichtliche Entscheidung einfach dadurch vorwegnehmen, indem sie eine von mehreren Auslegungsmöglichkeiten durch Mehrheitsbeschluss verbindlich auch für überstimmte und nicht bei der Abstimmung anwesende Eigentümer festschreiben.

 

Link zur Entscheidung

LG München I, Urteil vom 13.02.2012, 1 S 8790/11 WEG

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