Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 25.02.2011; Aktenzeichen 482 C 710/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 25.02.2011, Az. 482 C 710/10, aufgehoben.

2. Der in der ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung der WEG … vom 08.06.2010 zu TOP 9 „Balkone im Sondereigentum” gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.

3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313 a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs. 2 WEG n.F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt.

(Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung der Kläger ist begründet. Der in der Eigentümerversammlung vom 8.6.2010 zu TOP 9 gefasste Beschluss ist fehlerhaft und dürfte sogar nichtig sein. Die Frage der Nichtigkeit kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil der Beschluss auf die rechtzeitig erhobene Anfechtungsklage hin jedenfalls für ungültig zu erklären war.

1.

Die materiell-rechtlichen Ausschlussfristen des § 46 I 2 WEG für die Erhebung und die Begründung der Anfechtungsklage wurden von den Klägern gewahrt. Die Klage vom 7.7.2010 gegen den in der Eigentümerversammlung vom 8.6.2010 gefassten Beschluss ging am 7.7.2010 beim Amtsgericht München ein. Sie wurde den Beklagten am 17.7.2010 und damit „demnächst” i.S. des § 167 ZPO zugestellt. Die Begründung der Klage erfolgte ebenfalls im Schriftsatz vom 7.7.2010, der am selben Tag beim Amtsgericht München einging.

2.

Der Beschluss zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 8.6.2010 enthält nach seinem Wortlaut und dem sonstige Protokollinhalt eine Regelung zur Tragung von Kosten, die im Zusammenhang mit den Balkonen der Wohnungseigentumsanlage anfallen. Erfasst sind hiervon jedenfalls auch Kosten für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an den Balkonen. Das ist zwischen den Parteien soweit unstreitig.

a. Unerheblich ist, ob durch den Beschluss zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 8.6.2010 die bestehende Kostenverteilungsregelung zu den Balkonen nach der Teilungserklärung tatsächlich abgeändert werden sollte. Gegen den Willen zu einer Abänderung spricht bereits der Wortlaut des Beschlusses, wonach die Teilungserklärung ohne Änderung bleibt, so wie sie geschrieben ist, allerdings bezüglich „Balkone im Sondereigentum” so zu deuten ist, dass Balkoneigentümer alle Balkonkosten direkt tragen bzw. bei Ausgaben der Hausverwaltung zu den Balkonen diese direkt übernehmen.

Eine vom Gesetz oder den zwischen den Wohnungseigentümern getroffenen Vereinbarungen abweichende Verteilung der Kosten für Maßnahmen der Instandsetzung und Instandhaltung hätten die Eigentümer gemäß § 16 IV WEG jedenfalls nur für einen konkreten Einzelfall beschließen dürfen. Ein Beschluss, nach dem generell auch künftig die Kosten abweichend verteilt werden sollen, ist dagegen mangels Beschlusskompetenz nichtig (Spielbauer/Then, 2. Aufl., Rn 58 zu § 16 WEG).

Dass durch den zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 8.6.2010 gefassten Beschluss eine Kostenverteilung allein für eine konkrete Einzelmaßnahme und für welche geregelt werden sollte, ergibt sich mit der erforderlichen Bestimmtheit jedoch weder aus dem Beschlusswortlaut noch aus dem sonstigen Protokollinhalt. Vielmehr lässt der Wortlaut des Beschlusses, wonach Balkoneigentümer alle Balkonkosten direkt tragen bzw. bei Ausgaben der Hausverwaltung zu den Balkonen diese direkt übernehmen, eher auf eine allgemeine Regelung schließen. Die Beklagten können sich insoweit auch nicht auf das im Protokoll der Eigentümerversammlung wiedergegebene „Zitat der Einladung”, wo es heißt: „… Das bedeutet, die Balkone befinden sich im Gemeinschaftseigentum, die Tragung anfallender Kosten zu den Balkonen (z.B. aus Maßnahmen) werden jeweils von der Verwaltung direkt mit den Balkoneigentümern abgerechnet. Zu klären ist noch, wie z.B. Zahlungen der Firma … für Nachbesserungen abzurechnen sind …”. Es erschließt sich nämlich schon nicht, was genau mit „Maßnahmen” gemeint sein soll. Die lediglich beispielhafte Aufzählung der „Maßnahmen” sowie der „Zahlungen der Firma … für Nachbesserung” spricht zudem dafür, dass die Aufzählung nicht abschließend ist, sondern noch weitere Gegenstände von der Beschlussfassung erfasst sein sollen. Hinsichtlich etwaiger Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten, die unter die Gewährleistungspflicht des Bauträgers fallen, der die Wohnungseigentumsanlage erstellt hat, bedürfte es schließlich keiner Regelung zur endgültigen Verteilung der Kosten für diese Maßnahmen unter den Eigentümern, weil diese im Ergebnis vom Bauträger aufgrund dessen Gewährleistungsverpflichtung zu tragen wären.

Umstände außerhalb des Beschlusswortlautes und des sonstige...

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