1 Leitsatz

Ein Beschluss über Erhaltungsmaßnahmen, der teilweise Sondereigentum erfasst, ist insoweit nichtig. Abweichende Regelungen zur Kostentragung von Erhaltungsmaßnahmen sind nur dann in einer Gemeinschaftsordnung wirksam, wenn sie eindeutig und klar sind.

2 Normenkette

§§ 1, 5, 10 Abs. 1 Satz 2, 16 Abs. 2 Satz 1 WEG

3 Das Problem

In einer Wohnungseigentumsanlage ist die gesamte Tiefgarage ein Teileigentum. Zu diesem Teileigentum, dessen alleiniger Eigentümer Wohnungseigentümer Z ist, gehört neben den Stellplätzen eine Einkaufspassage im Erdgeschoss sowie weitere Räume. Die Tiefgarage muss repariert werden. In einer Versammlung wird beschlossen, ein Ingenieurbüro sowie weitere Planungsbüros mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts zu beauftragen. Die Kosten sollen alle Wohnungseigentümer tragen. Diesen Beschluss greift Wohnungseigentümer K an. Er meint, allein der Teileigentümer Z müsse die Kosten tragen. In der Gemeinschaftsordnung heiße es, die Raumeigentümer seien verpflichtet, die ihrem Sondereigentum unterliegenden Räume mit "allen Bestandteilen und jeglichem Zubehör" auf eigene Kosten in ordnungsmäßigem Zustand zu halten.

4 Die Entscheidung

Der Beschluss ist nach Ansicht des LG nichtig, soweit er das Sondereigentum des Z betrifft. Die Erhaltungskosten für das Sondereigentum müsse Z allein tragen. Im Übrigen habe die Beschlussanfechtung aber keinen Erfolg. Zwar hätten die Wohnungseigentümer eine von § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG abweichende Umlagevereinbarung getroffen. Diese sei aber unklar und daher unwirksam. Es sei nicht eindeutig, was mit "allen Bestandteilen und jeglichem Zubehör" gemeint sei. Eine weitgehende Überbürdung der Erhaltungspflicht auf einen Wohnungseigentümer würde im Übrigen den wohnungseigentumsrechtlichen Grundsätzen widersprechen, da die Verantwortung für die Standsicherheit des Gebäudes in die Hand eines einzelnen Wohnungseigentümers gegeben worden wäre.

Hinweis

  1. Der Fall erinnert zum einen daran, dass es allein am Wohnungseigentümer als Sondereigentümer ist, die Räume und/oder wesentlichen Gebäudebestandteile, die nach §§ 3, 8, 5 WEG in seinem Sondereigentum stehen, auf eigene Kosten zu erhalten. Bei der Beschlussfassung über Erhaltungsmaßnahmen ist daher vom Verwalter sorgfältig darauf zu achten, dass nur Maßnahmen im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums organisiert werden. Bei Räumen dürfte es hier – anders als im Fall – in der Regel nicht zu Problemen kommen. Anders ist es bei der Zuordnung von wesentlichen Gebäudebestandteilen. Hier kann der Verwalter nicht auf die Teilungserklärung vertrauen, da diese, wenn sie sich zur Frage äußert, in wessen Eigentum ein wesentlicher Gebäudebestandteil steht, nur eine unverbindliche Meinungsäußerung des beurkundenden Notars und/oder aufteilenden Eigentümers ist. Vielmehr muss sich der Verwalter mit § 5 Abs. 1 bis 3 WEG und den vielen Zweifelsfragen, die es insoweit gibt, beschäftigen.
  2. Zum anderen ist der Fall ein Musterbeispiel für eine der Auslegung fähige und der Auslegung bedürftige Umlagevereinbarung. Soweit es nämlich in der Gemeinschaftsordnung zur Umlage der Kosten heißt, die Raumeigentümer seien verpflichtet, die ihrem Sondereigentum unterliegenden Räume mit "allen Bestandteilen und jeglichem Zubehör" auf eigene Kosten in ordnungsmäßigem Zustand zu halten, könnte sich diese Formulierung allein auf das Sondereigentum beziehen und damit etwas Selbstverständliches aussagen. Denn natürlich gehören auch die wesentlichen Bestandteile und das Zubehör dem Wohnungseigentümer als Sondereigentümer und er muss daher für die Kosten aufkommen. Es kann aber auch so sein, dass die Umlagevereinbarung sich auf das gemeinschaftliche Eigentum beziehen sollte, soweit sich wesentliche Gebäudebestandteile und/oder Zubehör im Bereich des Sondereigentums befinden. Wegen dieser Unklarheit hat das LG zu Recht die Umlagevereinbarung nicht angewandt.
  3. In vergleichbaren Fällen, in denen eine Umlagevereinbarung nicht klar und eindeutig ist, rate ich an dieser Stelle immer wieder dazu, dass sich der Verwalter anweisen lässt, wie er bei seiner Arbeit die Umlagevereinbarung verstehen soll. An diesem Rat hat sich nichts geändert.
 

Muster: Weisung wegen des Verständnisses einer Umlagevereinbarung

  1. Der Verwalter hat die Wohnungseigentümer darüber informiert, dass man die Umlagevereinbarung in ___ der Gemeinschaftsordnung unterschiedlich auslegen kann.
  2. Der Verwalter hat ferner darauf hingewiesen, dass die Umlagevereinbarung unbeachtlich wäre, sollte man sie als unklar ansehen. Weiter hat der Verwalter darauf hingewiesen, dass – sollte man die Umlagevereinbarung als "klar" und damit als beachtlich ansehen – man sie wie folgt verstehen könnte: ___. Schließlich hat der Verwalter die Wohnungseigentümer darauf hingewiesen, dass es eine Beschlusskompetenz gebe, den Verwalter bei der Durchführung der Verwaltung anzuweisen.
  3. Vor diesem Hintergrund weisen die Wohnungseigentümer den Verwalter nach § 27 Abs. 2 WEG an, die Umlagevereinbarung wie folgt anzuwenden: ____.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen: _____

Nein-Stimmen: _____

Enthaltungen: __...

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