Leitsatz

Häufig wiederkehrendes Problem in Unterhaltsverfahren ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Unterhaltsgläubiger und/oder Unterhaltsschuldner in der Vergangenheit erzieltes Einkommen weiterhin fiktiv zugerechnet werden kann.

In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall hatte die Ehefrau ihre Arbeitsstelle aufgrund betriebsbedingter Kündigung verloren, hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben und mit dem Arbeitgeber einen Abfindungsvergleich geschlossen.

 

Sachverhalt

Die Parteien hatten im Jahre 1969 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren zwei in den Jahren 1976 und 1978 geborene Kinder hervorgegangen. Die Parteien lebten seit dem Sommer 2000 voneinander getrennt. Der Antragsteller war Leiter einer Grundschule, die Antragsgegnerin war in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen tätig, zuletzt als Geschäftsführerin eines Vereins im Bereich Sozialmarketing/Öffentlichkeitsarbeit. Dieses Arbeitsverhältnis wurde von dem Arbeitgeber gekündigt. Auf die Kündigungsschutzklage der Antragsgegnerin verurteilte das Arbeitsgericht den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung. In dem Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht wurde ein Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung mit dem 30.6.2003 endete und der Arbeitgeber eine Abfindung von 45.000,00 EUR brutto = 28.426,53 EUR netto zahlte.

Nach einer befristete Erwerbstätigkeit im Zeitraum von Oktober 2003 bis September 2004 war die Antragsgegnerin arbeitslos. Sie bezog in der Folgezeit Krankengeld i.H.v. monatlich 1.355,00 EUR.

Das AG - FamG - hat die Ehe durch Verbundurteil geschieden, der Antragsgegnerin Versorgungsanwartschaften übertragen und den Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von 665,00 EUR (inklusive Altersvorsorgeunterhalt von 132,00 EUR) verurteilt. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit der Berufung, die sich als zum Teil begründet erwies.

 

Entscheidung

Das OLG hielt den Ehemann für verpflichtet, der Ehefrau ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen Unterhalt von 553,00 EUR zu zahlen, wovon 443,00 EUR auf den Elementarunterhalt und 110,00 EUR auf den Altersvorsorgeunterhalt entfielen.

Aufseiten der Antragsgegnerin sei ihr tatsächliches Einkommen, das Krankengeld mit monatlich rund 1.355,00 EUR, in die Berechnung einzustellen. Der Ansatz eines höheren fiktiven Einkommens, das von ihr früher als Geschäftsführerin erzielt worden sei, komme nicht in Betracht und könne nicht fortgeschrieben werden. Bei einem Verlust der Arbeitsstelle aufseiten des Unterhaltsschuldners sei im Falle von Leichtfertigkeit das bisher erzielte Einkommen weiterhin fiktiv zuzurechnen. Bei einem leichtfertigen Verlust der Arbeitsstelle aufseiten des Unterhaltsgläubigers komme - in Anwendung des § 1579 Nr. 4 BGB - ebenfalls die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht, sofern Leichtfertigkeit anzunehmen sei. Eine solche sei aufseiten der Antragsgegnerin zu verneinen. Sie habe die Stelle nicht von sich aus gekündigt, sondern aufgrund betriebsbedingter Kündigung verloren. Verantwortungsloses Verhalten sei regelmäßig nicht schon dann anzunehmen, wenn sich der Arbeitnehmer gegen die betriebsbedingte Maßnahme seines Arbeitsgebers nicht mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr setze (BGH in FamRZ 1994, 372, 374).

Vorliegend habe die Antragsgegnerin sogar Kündigungsschutzklage erhoben. Erst in zweiter Instanz vor dem LAG habe sie dann mit ihrem Arbeitgeber einen Abfindungsvergleich geschlossen. Nach Auffassung des BGH könne ein unterlassener Rechtsbehelf nur dann unterhaltsbezogen leichtfertig sein, wenn die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung offensichtlich unbegründet gewesen sei. Hierfür sei nichts ersichtlich, zumal der Vergleich vom LAG ausdrücklich angeregt worden sei.

Außerdem habe die Antragsgegnerin ihr Arbeitsverhältnis nicht entschädigungslos verloren. Mit Rücksicht darauf, dass sie aufgrund der Zahlung der Abfindung durch den Arbeitgeber in den Stand gesetzt worden sei, für ihren Lebensunterhalt während der bereits vollzogenen Trennung vom Antragsteller für einige Zeit alleine aufzukommen, könne ihr der Vorwurf unterhaltsbezogen leichtfertigen Verhaltens nicht gemacht werden.

Die Antragsgegnerin habe den Abfindungsbetrag schon vor Beginn des streitigen Unterhaltszeitraums verbrauchen dürfen. Ob sie ausreichende Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle entfaltet habe, könne dahinstehen. Zumutbar seien für sie Tätigkeiten als Büroangestellte oder Bürohilfe. Hieraus seien nicht mehr als monatlich 1.500,00 EUR zu erzielen. Davon sei der Erwerbstätigenbonus mit 1/7 abzusetzen. Ein solcher Abzug sei nicht nur von tatsächlichen Erwerbseinkünften vorzunehmen, sondern auch von fiktiven Einkünften aus Erwerbstätigkeit (BGH FamRZ 1995, 346; Gerhardt, in: Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 6. Aufl., 6. Kap., Rz. 297; Born, Anm. zu OLG Hamm, FamRZ 2008, 1184, 1186).

Setze man aufseiten der Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 1.500,00 EUR an...

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