Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Ansatz fiktiver Einkünfte nach Aufgabe des Arbeitsplatzes gegen Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Wenn der Unterhaltsschuldner seine Arbeitsstelle leichtfertig aufgibt oder verliert, kann ihm das bis dahin erzielte Einkommen weiterhin fiktiv zugerechnet werden. Dies gilt gleichermaßen bei einem Verlust der Arbeitsstelle aufseiten des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Der Vorwurf der Leichtfertigkeit ist nicht begründet, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund betriebsbedingter Kündigung endet, dagegen Kündigungsschutzklage erhoben und im gerichtlichen Verfahren ein Abfindungsvergleich geschlossen worden ist.

 

Normenkette

BGB § 1579 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Urteil vom 18.09.2007)

 

Tenor

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 18.9.2007 verkündete Urteil des AG Strausberg teilweise abgeändert und hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts neu gefasst.

Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen Ehegattenunterhalt von 553 EUR, davon 443 EUR Elementarunterhalt und 110 EUR Altersvorsorgeunterhalt, den zukünftigen jeweils im Voraus bis zum 5. eines jeden Monats, zu zahlen.

Der weitergehende Antrag der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Antragsgegnerin macht nachehelichen Unterhalt geltend.

Der am 1944 geborene Antragsteller und die 1947 geborene Antragstellerin haben am 19.12.1969 geheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder B., geboren am 1976, und S., geboren am 1978, hervorgegangen. Die Parteien leben seit Juli 2000 voneinander getrennt.

Der Antragsteller ist Leiter einer Grundschule. Die Antragsgegnerin war von 1996 bis 2003 Geschäftsführerin "Sozialmarketing/Öffentlichkeitsarbeit" im C. e.V. (C.). Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber zum 30.4. bzw. 30.6.2003 gekündigt. Auf die Kündigungsschutzklage der Antragsgegnerin stellte das ArbG B. durch Urteil vom 8.7.2003 fest, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 25.2.2003 noch durch die Kündigung vom 30.4.2003 beendet worden ist und verurteilte den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung. Im Berufungsverfahren vor dem LAG B. schloss die Antragsgegnerin mit ihrem Arbeitgeber am 21.1.2004 einen Vergleich dahin, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung mit dem 30.6.2003 endet und der Arbeitgeber eine Abfindung von 45.000 EUR brutto zahlt. Von der Abfindung wurden der Antragsgegnerin netto 28.426,53 EUR ausgezahlt.

In der Zeit von Oktober 2003 bis September 2004 war die Antragsgegnerin im Rahmen einer sozialen Anpassungsmaßnahme befristet erwerbstätig. Seither ist sie arbeitslos. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I erhielt sie ab 29.4.2007 Krankengeld von monatlich 1.355 EUR. In derselben Höhe bezog sie von der Deutschen Rentenversicherung ... ab 19.12.2007 während einer Kur Übergangsgeld. Inzwischen erhält die Antragsgegnerin wieder Krankengeld in derselben Höhe wie zuvor, also i.H.v. 1.355 EUR.

Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 11.1.2006 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 2.11.2006 hat die Antragsgegnerin im Verbundverfahren nachehelichen Unterhalt geltend gemacht.

Durch das angefochtene Urteil hat das AG die Ehe der Parteien geschieden, vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung ... eine monatliche Anwartschaft von 256,02 EUR auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung ... übertragen und zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei dem Land B. eine monatliche Anwartschaft von 379,22 EUR auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung ... begründet. Ferner hat das AG den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen Ehegattenunterhalt von 665 EUR, davon 132 EUR Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller, soweit der nacheheliche Unterhalt betroffen ist, mit der Berufung. Er trägt vor:

Die ehelichen Lebensverhältnisse seien dadurch geprägt gewesen, dass die Antragsgegnerin ein höheres Nettoeinkommen als er selbst erzielt habe. Ihre Arbeitsstelle habe die Antragsgegnerin unterhaltsrechtlich leichtfertig aufgegeben. Rechne man ihr das frühere Einkommen fiktiv zu, ergebe sich für das Jahr 2007 ein Nettoarbeitslohn von mindestens 2.534,14 EUR.

Ferner habe sich die Antragsgegnerin...

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