Leitsatz

Mangels Beschlusskompetenz nichtiger (hier: teilnichtiger) Beschluss über eine Jahresabrechnung, die zugleich Altforderungen aus früheren Abrechnungsbeschlüssen miterfasst (Revision zugelassen)

 

Normenkette

§ 28 WEG; §§ 139, 195 ff. BGB

 

Kommentar

  1. Beschließen die Wohnungseigentümer in einer Jahresabrechnung zugleich auch über Altforderungen, die bereits in früheren Jahresabrechnungen beschlossen wurden, so ist der Beschluss insoweit mangels Beschlusskompetenz nichtig.
  2. Über Vorjahressollstände kann eine aktuell zu beschließende Jahresabrechnung nur entsprechende Informationen enthalten. Eine wiederholte Beschlussfassung über dieselbe Schuld wäre rechtswidrig, da sie ansonsten zu einer ungerechtfertigten Anspruchsverdoppelung und Ausschaltung (Umgehung) der Verjährungsvorschriften führte.
  3. Entgegen h.M. ist allerdings ein solcher Beschluss nicht nur anfechtbar, sondern mangels Beschlusskompetenz nichtig; ein Mehrheitsbeschluss ist nur Entstehungsvoraussetzung, nicht allerdings selbst Anspruchsgrundlage (vgl. auch Wenzel, NZM 2004, S. 542, 544). Eigentümer sind nicht befugt, dem Schuldner eines nach materieller Rechtslage bestehenden Anspruchs, zusätzlich eine hiervon losgelöste weitere Leistungspflicht aufzuerlegen. Sie sind ebenso wenig befugt, originär durch Beschluss eine solche Leistungspflicht zu schaffen, wenn hierfür materiell, d.h. aufgrund Gesetzes oder Vereinbarung, keine Anspruchsgrundlage besteht. Insoweit findet die Beschlusskompetenz des § 28 Abs. 5 WEG aufgrund dieser Überlegung ihre Grenze. Der Beschluss stellt keine Grundlage dafür dar, die Forderungen der Gemeinschaft gegen einzelne Mitglieder durch wiederholte Beschlussfassung hierüber zu vervielfachen. Die "Abrechnung des Verwalters" in § 28 Abs. 5 WEG ist also die Grundlage für die formelle Beschlusskompetenz, zugleich aber auch als eine materiell-rechtlich geprägte Schranke dieses Kompetenztitels zu verstehen. Alte Saldenvorträge sind keine Ausgabe oder Einnahme des Jahres, über das mit Beschluss abgerechnet werden soll.
  4. Durch eine neuerliche Beschlussfassung über bereits abgerechnete Saldenvorträge dürfen nicht Verjährungsvorschriften umgangen werden.
  5. Allerdings ist das Landgericht Nürnberg-Fürth im vorliegenden Fall nur von einer Teilnichtigkeit des Beschlusses ausgegangen (hinsichtlich der insoweit neuerlich mitbeschlossenen Altverbindlichkeiten). Forderungen können hier unschwer herausgerechnet werden; damit sind die Beschlüsse auch teilbar; auch der Wille der Eigentümer ging entgegen § 139 BGB klar dahin, zumindest die Forderung des aktuellen Jahres als beschlossen anzusehen.
  6. Für eine solche Beschlussfassung bestehen auch keine schutzwürdigen Interessen, da die Gemeinschaft gegen säumige Schuldner nach wie vor aufgrund der genehmigten Jahresabrechnungen der Vorjahre vorgehen könnte.
 

Link zur Entscheidung

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 30.11.2009, 14 S 5724/09, ZMR 2010 S. 315 (mit Revisionszulassung)

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