Rz. 175

Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens der Scheidung bei einvernehmlichem Antrag ist, dass die Ehegatten sich nicht nur über die Scheidung selbst, sondern auch über die Scheidungsfolgen für sich und die Kinder einig sind.

 

Rz. 176

Das Verfahren beginnt mit einem ricorso beim zuständigen Gericht, in dem die Ehegatten ihre bezüglich der Scheidungsfolgen getroffenen Maßnahmen und Regelungen für sich und die Kinder angeben müssen. Es findet eine nichtöffentliche, mündliche Verhandlung statt, zu der die Ehegatten persönlich zu erscheinen haben. Im Rahmen dieser Verhandlung soll das Gericht feststellen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Scheidung vorliegen und ob die von den Ehegatten vorgeschlagenen Regelungen zu den Kindern nicht gegen die wahren Interessen der Kinder verstoßen. Ist dies der Fall, spricht der Richter die Scheidung aus, wobei er hinsichtlich der Scheidungsfolgen die Vorschläge der Ehegatten in das Urteil übernimmt. Liegt nach Auffassung des Gerichts ein Verstoß gegen das Kindeswohl vor, hat er das Verfahren der einvernehmlichen Scheidung einzustellen und die Ehegatten in das streitige Verfahren, das oben vorgestellt wurde (siehe Rdn 161 ff.), zu verweisen.

 

Rz. 177

Umstritten ist, ob das Gericht berechtigt ist, die Regelungsvorschläge der Ehegatten, die diese selbst (und nicht die Kinder) betreffen, zu prüfen und ob, wenn es der Auffassung ist, dass diese Vorschläge nicht der Billigkeit bzw. den wohlverstandenen beiderseitigen Interessen beider Ehegatten entsprechen, es die Regelungen selbst abändern darf oder ob es in diesem Fall zur Verweisung in das streitige Verfahren verpflichtet ist. Das Gesetz sieht die inhaltliche Kontrolle ausdrücklich nur bei Verstoß gegen das Kindeswohl vor. Deshalb verneint die h.M. eine Verweisungspflicht bzw. ein Verweisungsrecht. Dies bedeutet aber nach einer teilweise vertretenen Auffassung nicht, dass das Gericht in jedem Fall dem Vorschlag der Ehegatten folgen muss. So kann, wenn ein Ehegatte auf den nachehelichen Unterhalt verzichtet, obwohl er bedürftig ist, das Gericht entsprechend der gesetzlichen Regelung abweichend vom Vorschlag der Ehegatten entscheiden.[227]

 

Rz. 178

Zweifelhaft ist auch der Fall, dass ein Ehegatte zunächst mit der Scheidung einschließlich der Scheidungsfolgen einverstanden ist, sein Einverständnis, sei es über die Scheidung selbst oder über die Scheidungsfolgen oder einzelne von diesen, aber vor dem Scheidungsurteil widerruft. Unter den diskutierten Lösungsvorschlägen (Ablehnung eines Widerrufsrechts nach Verfahrensbeginn,[228] Widerrufsrecht und Verweisung in das streitige Verfahren oder nachträgliche Unzulässigkeit des Antrags auf einvernehmliche Scheidung infolge dieses Widerrufs) überzeugt letztere Meinung am meisten.[229]

[227] Dazu Cubeddu, Parteiautonomie versus Inhaltskontrolle, in: Festschrift Pintens, 2012, I.
[228] Cass., 8.7.1998, n. 6664, GC 1999, I, 819.
[229] Saletti, Procedimento e sentenza di divorzio, S. 605.

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