Praxis-Beispiel

Überschreiten der Opfergrenze: Wassereintritt

Ferner ist die "Opfergrenze" überschritten, wenn zur Verhinderung des Eindringens von Wasser in den Durchgangsbereich vom Haus zum Keller und zur Tiefgarage die Erneuerung der Betonwanne unter dem Haus und damit der Abriss und der Neuaufbau des Hauses erforderlich wäre.[1]

Grundsätzlich verliert der Vermieter auch bei Überschreiten der Opfergrenze nicht sein Leistungsverweigerungsrecht (Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB), wenn er den zum Mangel der Mietsache führenden Umstand vorsätzlich herbeigeführt hat. In einem solchen Fall obliegt es der wertenden Gesamtbetrachtung des Tatrichters, ob er angesichts der von ihm zu berücksichtigenden Gesamtumstände des Einzelfalls die Einrede für begründet erachtet.[2]

 
Praxis-Beispiel

Überschreiten der Opfergrenze: Störende Außenwand

Der Vermieter hat auf dem ebenfalls in seinem Eigentum stehenden Nachbargrundstück ein Haus errichtet, dessen Außenwand unmittelbar vor dem Küchenfenster und dem Badezimmerfenster der Mietwohnung angebaut ist. Dies stellt zwar einen Mietmangel dar. Allerdings kann dem Anspruch des Mieters auf Wiederherstellung des vertragsgemäßen Gebrauchs die Opfergrenze entgegenstehen, weil sich die Mängelbeseitigungskosten wegen des unweigerlichen Teilabrisses des mehrstöckigen Nachbargebäudes auf einen hohen 6-stelligen Betrag belaufen würden.[3]

 
Hinweis

Völlige Zerstörung der Mietsache

Bei völliger Zerstörung der Mietsache erlischt das Mietverhältnis ohne Kündigung automatisch. Der Vermieter wird von seiner Pflicht zur Gebrauchsüberlassung frei (§ 275 Abs. 1 BGB). Eine Wiederherstellungspflicht des Vermieters besteht nicht.[4]

Gleiches gilt, wenn die Pachtsache durch einen Brand im Wesentlichen zerstört wird. Eine Pflicht des Verpächters zum Wiederaufbau besteht in diesem Fall nicht. Auf Fragen der Zumutbarkeit i. S. v. § 275 Abs. 2 BGB kommt es insofern nicht an. Eine Zerstörung, die zur Unmöglichkeit führt, liegt auch nicht erst dann vor, wenn kein Stein mehr auf dem anderen steht. Maßgebend ist eine funktionelle Betrachtung, bei der es darauf ankommt, ob der erhalten gebliebene Teil eigenständig wirtschaftlich sinnvoll nutzbar ist und die Identität des Pachtgegenstands gewahrt bleibt. Dies ist nicht der Fall, wenn das Herzstück der Pachtsache ein historischer Teil (hier: alte Mühle) und dieser weitgehend abgebrannt ist, später angebaute Gebäudeteile jedoch zu wesentlichen Teilen erhalten geblieben sind.[5]

Entsprechendes gilt bei erheblichen Beschädigungen der Mietsache, wenn der Wiederaufbau dem Vermieter aus finanziellen Gründen nicht zumutbar ist.[6]

 
Praxis-Beispiel

Überflutung der Mietsache

Dementsprechend steht einem Wohnungsmieter auch nach der "Jahrhundertflut" in den östlichen Bundesländern auch bei einem nicht völlig zerstörten Mietobjekt kein Besitzverschaffungsanspruch gegen den Vermieter zu, wenn die dem Vermieter obliegende zumutbare Opfergrenze überschritten ist.[7]

[2] BGH, Beschluss v. 22.1.2014, VIII ZR 135/13, GE 2014, 313.
[3] LG Berlin, Urteil v. 7.5.2013, 63 S 387/12, GE 2013, 1203.
[6] BGH, Urteil v. 14.4.1976, VIII ZR 291/74, WuM 1977, 5; BGH, Urteil v. 26.9.1990, VIII ZR 205/89, WuM 1990, 546.
[7] LG Dresden, Urteil v. 14.6.2007, 4 S 640/06, NZM 2008, 165.

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