Leitsatz

Die Installation der Attrappe einer Videokamera an der Balkonunterseite ist eine bauliche Veränderung. Sie beeinträchtigt die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus, weil sie nicht funktionstüchtig ist. Die bloße Befürchtung der Überwachung durch eine Videokamera ist keine Beeinträchtigung

 

Normenkette

§§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG

 

Der Fall

  1. Ein Wohnungseigentümer montiert an einer Balkonunterseite die Attrappe einer Videokamera. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt von ihm Beseitigung.
 

Entscheidung

  1. Erfolglos! Es bestehe kein Anspruch auf Beseitigung. Zwar stelle die Installation der Kamera an der Balkonunterseite wohl eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar. Es liege aber keine Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß vor.
  2. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mache insoweit nur geltend, dass sich Wohnungseigentümer, die sich dem Objekt näherten, in den Sichtbereich der Kamera gelangten und sich durch den Eindruck, aufgenommen zu werden, beeinträchtigt fühlen könnten. Dieses Fühlen stelle keine Beeinträchtigung dar. Allein die Befürchtung beeinträchtige nicht.
  3. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden habe, könne zwar auch die objektiv bestehende ernsthafte Befürchtung durch vorhandene Überwachungsgeräte aufgenommen zu werden, zu einem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht führen (BGH v. 21.10.2011, V ZR 265/10, NJW-RR 2012 S. 140). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beeinträchtige hingegen die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras oder ähnliche Überwachungsgeräte das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, nicht (Verweisung auf BGH v. 21.10.2011, V ZR 265/10, NZM 2012 S. 239 Rn. 9 und BGH v. 16.3.2010, VI ZR 176/09, NJW 2010 S. 1533 Rn. 14). Eine solche lediglich hypothetische Möglichkeit der Überwachung habe der Bundesgerichtshof unter anderem für die Fälle angenommen, in denen bei einer funktionsfähigen Kamera sichergestellt ist, dass sie nicht auf das Nachbargrundstück gerichtet ist.
  4. Hier handle es sich jedoch um eine nicht funktionsunfähige Kamera, bei der ausgeschlossen sei, dass sie zur Aufzeichnung benutzt werden könne. Demzufolge bestehe nicht einmal eine hypothetische Möglichkeit der Aufzeichnung; vielmehr stehe objektiv fest, dass eine Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der übrigen Wohnungseigentümer ausgeschlossen sei.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Videoüberwachung im Wohnungseigentumsrecht ist ein immer noch sehr schwieriges Thema (siehe dazu zuletzt Elzer, Videoüberwachung in Wohnraummiete und Wohnungseigentum, NJW 2013 S. 3537). Die Entscheidung spricht von den vielen Fragen nur – rudimentär – eine an.
  2. Die Entscheidung klärt nur, was zwischen den Wohnungseigentümern gilt. Ob ein Dritter Rechte hat und welche, ist nicht entschieden.

Was ist für Verwalter wichtig?

Der Verwalter sollte in der Regel bei einem entsprechenden Beschluss die Wohnungseigentümer beraten, wie die Rechtslage ist. Mit dem Landgericht meine ich selbst, dass eine Kameraattrappe zulässig ist (siehe im Einzelnen Elzer, NJW 2013 S. 3537, 3539 m.w.N.). Der WEG-Fachmann Andrik Abramenko meint hingegen in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung, dass bloße Befürchtungen einen Nachteil nach § 14 Nr. 1 WEG darstellen könnten. Nach verbreiteter Auffassung seien auch subjektive Befürchtungen geeignet, einen Nachteil zu begründen, wenn sie aus objektiver Sicht begründet seien. Ob sich die Befürchtungen dann tatsächlich bewahrheiten, sei unerheblich. Da auch der BGH bei Antennen zuletzt in dieses Richtung tendierte (u.a. BGH v. 24.1.2014, V ZR 48/13, Rn. 10), bleibt die Entwicklung abzuwarten.

 

Link zur Entscheidung

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.11.2013, 2-13 S 24/13

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