Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbständige Tätigkeit. Arbeitslosenhilfe. tatsächliche Ausübung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zeit, während der versucht wird, durch die Führung eines Rechtsstreits die Möglichkeit der Ausübung eines Gewerbes zu erstreiten, steht der tatsächlichen Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach § 134 Abs. 3 AFG i.V. mit § 1 Abs. 3 Alhi-VO nicht gleich.

 

Normenkette

AFG § 134 Abs. 3, § 102; Alhi-VO § 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Urteil vom 23.05.1978; Aktenzeichen S-5 a/Ar-224/77)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.05.1980; Aktenzeichen 7 RAr 22/79)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. Mai 1978 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird abgelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe – Alhi –.

Der im Jahre 1935 geborene Kläger pachtete am 1. April 1971 von der Brauerei A. H. in W. die Gaststätte „W. Hof” für die Dauer von 10 Jahren. Die Firma H. kündigte das Pachtverhältnis am 19. Oktober 1976 fristlos mit der Begründung, der Kläger befinde sich mit dem Pachtzins im Rückstand. In einer gegen die Firma H. anhängig gemachten Klage vor dem Landgericht Limburg auf Vertragserfüllung und in einem Rechtsstreit der Firma H. gegen den Kläger auf Räumung obsiegte dieser (Urteil vom 19. Januar 1977). In dem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main obsiegte die Firma H. das Gericht gab der Räumung unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Limburg statt. Die dagegen eingelegte Revision des Klägers wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 7. September 1977 nicht angenommen.

Am 21. September 1977 beantragte der Kläger die Gewährung von Alhi. Seinem Antrag fügte er eine Bescheinigung des Steuerbevollmächtigten H. bei, in der angegeben wird, daß der Gewerbebetrieb des Klägers seit dem 20. Oktober 1976 ruhe. Der Kläger legte weiter eine Bescheinigung des Magistrats der Stadt W. vom 21. September 1977 vor, wonach das angemeldete Gaststättengewerbe bisher nicht abgemeldet worden sei. Aus einer weiteren Bescheinigung vom 11. Oktober 1977 folgt, daß das Gewerbe, nachdem die Gaststätte seit dem 15. September 1977 anderweitig verpachtet worden sei, zum 14. September 1977 von Amts wegen abgemeldet wurde.

Den Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Oktober 1977 ab. Zur Begründung führte sie an, dieser habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Arbeitslosengeld – Alg – bezogen noch mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden. Die selbständige Tätigkeit habe er nur vorübergehend aufgegeben, weshalb § 1 Nr. 3 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung – Alhi-VO – nicht wirksam werden könne. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 1977 zurück.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 14. November 1977 Klage. Er trug vor, entgegen der Ansicht der Beklagten habe seine Tätigkeit als Gastwirt nicht am 20. Oktober 1976 geendet, zumal er auch in dem Urteil des Landgerichts Limburg vom 19. Januar 1977 in dem Rechtsstreit gegen die Brauerei H. obsiegt gehabt habe. Vom 20. Oktober 1976 an habe der Gaststättenbetrieb lediglich geruht, da ihn die Brauerei H. nicht mehr mit Bier und alkoholfreien Getränken beliefert habe. Eine Beendigung des Betriebes der Gaststätte sei erst mit deren zwangsweisen Räumung am 4. Juli 1977 durch den Gerichtsvollzieher erfolgt. Bis dahin habe er sich von morgens bis abends im Lokal in Erwartung von Getränkelieferungen der Brauerei, aufgehalten, weshalb er eine mindestens 10-wöchige Beschäftigung innerhalb des Jahres vor Antragstellung nachweisen könne und deshalb Anspruch auf Alhi habe.

Das Sozialgericht Gießen wies die Klage mit Urteil vom 23. Mai 1978 ab. Zur Begründung führte es an, der Kläger könne für den Zeitraum innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung (21. September 1976 bis 20. September 1977) keine mindestens 10 Wochen lang andauernde Tätigkeit als Selbständiger nachweisen. Zwar habe dieser den Status eines Selbständigen gehabt, der jedoch anspruchsbegründend nicht mit der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gleichgesetzt werden könne. Sinn und Zweck der Alhi-Regelung sei es, nicht diejenigen von dem Leistungsrecht auszuschließen, die auf Grund der Eigenart der von ihnen ausgeübten Tätigkeit gehindert waren, eine Anwartschaftszeit im Sinne der §§ 100, 106 Arbeitsförderungsgesetz – AFG – zu erwerben. Demgegenüber habe der Kläger seit dem 20. Oktober 1976 hinsichtlich seiner Tätigkeit als Gastwirt einen Schwebezustand aufrecht erhalten, obwohl er nicht gehindert gewesen sei, eine leistungsrechtlich erhebliche Anwartschaftszeit zu erwerben. Er hätte das Gewerbe abmelden und sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen können. Dies hätte auf den Ausgang der Räumungsklage keinen Einfluß haben können, da er das Gewerbe jederzeit hätte wieder anmelden können. Durch sein fast 1 Jahr dauerndes Warteverhalten habe d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge