Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Veranlagung. Gefahrtarif 2005. Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe. gewerbezweigspezifischer Neulasttarif. Zusammenveranlagung. Zusammenführung der Bäckerei- und Konditoreibetriebe. gemeinsame Gefahrtarifstelle. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die Veranlagung einer Konditorei zum Gefahrtarif 2005 der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe, in welchem die ursprünglich getrennt erfassten Gefahrtarifstellen für Backgewerbe und Konditoreien nunmehr zu der gemeinsamen Gefahrtarifstelle 1 unter "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren" mit der Gefahrklasse 6,0 zusammengeführt wurden, ist rechtmäßig und verstößt weder gegen § 157 Abs 2 S 1 SGB 7 noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gem Art 3 Abs 1 GG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.04.2013; Aktenzeichen B 2 U 4/12 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. Mai 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten für beide Instanzen.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert wird für beide Instanzen jeweils auf 15.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Veranlagung der Klägerin - die eine Konditorei in A-Stadt betreibt - zum Gefahrtarif 2005 der Beklagten.

Bei der Beklagten bestanden ab Mitte der 70___AMPX_’_SEMIKOLONX___Xer Jahre Bestrebungen, die gefahrtarifliche Einstufung der Konditoreien einerseits und des Backgewerbes andererseits, die noch im Gefahrtarif 1999 unter den Gefahrtarifstellen 1 “Backgewerbe„ mit der Gefahrklasse 6,7 und 2 “Konditoreien„ mit der Gefahrklasse 3,7 eingeordnet waren, neu zu regeln mit dem Ziel der Zusammenführung beider Gefahrtarifstellen. Mit Veranlagungsbescheid vom 10. August 1999 war die Klägerin ab 1. Januar 1999 zum Gefahrtarif 1999 noch in die Gefahrtarifstelle 2 “Konditoreien„ mit der Gefahrklasse 3,7 veranlagt worden. In dem hier streitigen und ab 1. Januar 2005 gültigen Gefahrtarif 2005 wurde die Zusammenlegung vollzogen und Bäckerei- sowie Konditoreibetriebe in der Gefahrtarifstelle 1 unter “Herstellung von Back- und Konditoreiwaren„ mit der Gefahrklasse 6,0 zusammengeführt. Die Klägerin wurde mit Bescheid vom 20. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2005 für den Unternehmensbereich Bäckereien/Konditoreien zur Gefahrtarifstelle 1 mit der Gefahrklasse 6,0 des Gefahrtarifs 2005 veranlagt, für den Bürobereich zur Gefahrtarifstelle 18 mit der Gefahrklasse 0,8 und für den Vertrieb von Lebensmitteln zur Gefahrtarifstelle 19 mit der Gefahrklasse 3,0.

Gegen die Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 1 wandte die Klägerin sich mit Klage vom 3. November 2005 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht). Zur Begründung der Klage trug sie vor, die Zusammenfassung von Konditoreien und Bäckereien im Gefahrtarif 2005 verstoße gegen die Bestimmung des § 157 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, und führe zu einer Gefahrklassenerhöhung gegenüber dem Gefahrtarif 1999 von 3,7 auf 6,0. Die zitierte gesetzliche Bestimmung fordere, Gefahrtarifstellen nach einheitlichen Gefährdungsrisiken zu bilden. Davon abweichend fasse die Gefahrtarifstelle 1 im Gefahrtarif 2005 zwei verschiedene Unternehmensarten - die Gewerbezweige Bäckereien und Konditoreien - mit völlig unterschiedlichen Gefährdungsrisiken zusammen, so dass der Gefahrtarif insoweit rechtswidrig sei. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe der Gewerbezweig “Konditoreien„ sich nicht aufgelöst. Die Beklagte habe vielmehr aufgrund einer verbandspolitisch motivierten Entscheidung ihrer Vertreterversammlung entgegen dem ursprünglichen Vorschlag der Verwaltung die beiden jahrzehntelang getrennt bestehenden Gefahrtarifstellen zusammengelegt. Der Gewerbezweig “Konditor„ bestehe fort und stehe auch nicht zur Disposition der Beklagten. Sie stelle als ein Konditoreibetrieb ausschließlich Konditoreiwaren her. Bäckereien und Konditoreien stellten klar abgrenzbare unterschiedliche Gewerbezweige dar ohne die von der Beklagten angenommene technologische Artverwandtheit. Für Konditoreien sei die Herstellung feiner Backwaren mit nicht durchgebackener Füllung, Süßspeisen, Konfiserieartikel wie Pralinen und Konfekte und Speiseeis prägend. Für die Bäckereien dominiere die Herstellung von Brot und Brötchen. Völlig unterschiedliche Unfallgefahren resultierten aus Folgendem: Beim Herstellungsvorgang spielten Backvorgänge eine untergeordnete Rolle und es werde auch nicht zur Nachtzeit gearbeitet wie typischerweise in Bäckereien. Aus dem Umgang mit Mehl und Mehlprodukten resultiere beim Backvorgang die hohe Zahl von Berufskrankheiten bei Bäckern infolge der Mehlstauballergie, die bei Konditoren nicht aufträten. Branchentypische Gefahren, die weitaus höhere Unfallrisiken bei Bäckereien begründeten, ergäben sich aus der Filialisierung im Bäckerhandwerk und den dadurch auftretenden Verkehrsunfällen...

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