Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Abgrenzung. abhängig Beschäftigter. selbständig Tätiger. Alleingesellschafter. GmbH-Geschäftsführer. Strohmann. Stimmbindung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Alleingesellschafter einer GmbH kann zu der Gesellschaft grundsätzlich nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen.

2. Das gilt auch im Falle eines Stimmbindungsvertrags, durch den sich der Alleingesellschafter dauerhaft und vollständig seiner gesellschaftsrechtlichen Bestimmungsrechte zugunsten eines Dritten begibt, da derartige Vereinbarungen mit zwingenden Vorschriften des GmbH-Gesetzes unvereinbar sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.01.2006; Aktenzeichen B 12 KR 30/04 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 29. November 2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beigeladene zu 1.) bei der Klägerin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht.

Die Klägerin wurde im Juni 1980 unter der Firma "Schuhhaus A GmbH" durch die Gesellschafter G A seine Ehefrau M A (Beigeladene zu 1.) und R A gegründet. Gegenstand des Unternehmens war der Betrieb eines Schuheinzelhandels. Im Gesellschaftsvertrag wurde Herr G A zum alleinigen Geschäftsführer bestimmt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Gesellschafter konnten dem Geschäftsführer allgemeine oder besondere Weisungen erteilen, zu deren Beachtung er verpflichtet war; zu wesentlichen Geschäften bedurfte er der Zustimmung einer 2/3-Mehrheit der Gesellschafterversammlung (§ 12 Gesellschaftsvertrag).

Die Beigeladene zu 1.) arbeitete von Beginn an als Angestellte für die Klägerin, zuletzt (ab dem 1. November 1992) als "Leitung und Obersicht der Verkaufsabteilungen im Haupthaus" mit einer tariflichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden/Woche (Änderungsvertrag vom 5. Oktober 1992). Zu diesem Zeitpunkt belief sich das Stammkapital der Gesellschaft (nach einer im Januar 1992 erfolgten Kapitalherabsetzung) auf 50.000,- DM, wobei der Geschäftsanteil der zu diesem Zeitpunkt verbliebenen Gesellschafter G A 37.500,- DM und der Beigeladenen zu 1.) 12.500,- DM betrug.

Mit notariellem Vertrag vom 16. April 1993 trat Herr G A seinen Geschäftsanteil schenkweise an die Beigeladene zu 1.) ab, die dadurch alleinige Gesellschafterin der Klägerin wurde. Herr G A blieb alleiniger Geschäftsführer. Noch im Jahr 1993 wurde der Geschäftsbetrieb des Schuhhauses eingestellt. Seit diesem Zeitpunkt wird die Klägerin als Verwaltungs-GmbH geführt, welche die privaten Immobilien von Herrn G A verwaltet.

Bereits am 22. Januar 1992 hatte Herr G A in einem an die Beigeladene zu 1.) gerichteten, von dieser gegengezeichneten Schreiben folgende "verbindlich getroffenen Vereinbarungen" festgehalten:

"Sie haben... verbindlich erklärt und ohne Widerrufsvorbehalt zugesichert, dass

1.

Sie auch nach erfolgter Übertragung der bisher von Herrn G A gehaltenen mehrheitlichen Geschäftsanteile und zu keinem späteren Zeitpunkt einen Anspruch auf Vertretung der Gesellschaft nach außen, Geschäftsführung oder geschäftsführungsähnliche Stellung erheben, oder als künftige alleinige Gesellschafterin einen die Stellung oder die Befugnisse des Geschäftsführers aufhebenden oder beschränkenden Beschluss herbeiführen werden;

2.

Sie als alleinige Gesellschafterin auf eine außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers Herrn G A, auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unwiderruflich verzichten, insbesondere aus Anlass und/oder wegen seines Ausscheidens als Gesellschafter aus der Gesellschaft;

3.

Sie Herrn G A in seiner Eigenschaft als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer mit alleiniger Geschäftsführungsberechtigung ausdrücklich bestätigen und ohne seine Zustimmung keinen weiteren oder andere Geschäftsführer bestellen werden und/oder keine geschäftsführungsberechtigende Vollmachten annehmen oder erteilen werden;

4.

Herr G A als Geschäftsführer allein und unbeschränkt über die Personalhoheit verfügt und zukünftig verfügen soll, selbst dann, wenn etwa ihre eigenen Interessen von seinen Entscheidungen berührt werden;

5.

Sie bei Ausübung Ihres Stimmrechts als alleinige Gesellschafterin in der Gesellschaftsversammlung stets dem Vorschlag des Geschäftsführers folgen werden, soweit solche Vorschläge nicht gegen die guten Sitten verstoßen oder strafrechtlich bedenklich sind."

Die Beigeladene zu 1.) war noch bis 31. Dezember 1993 auf der Grundlage einer Änderungsvereinbarung vom 14. April 1993 als Angestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden für die Klägerin tätig. Für die Zeit ab 1. Januar 1994 wurde am 9. November 1993 ein neuer "Teilzeit-Anstellungsvertrag" geschlossen, durch den die Beigeladene zu 1.) für alle anfallenden Arbeiten im Bürodienst, insbesondere zur Unterstützung bei der Immobilienverwaltung, einschließlich anfallender Rollfuhr- und Botendienste,...

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