Revision

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch zivilrechtlicher Rückforderungsanspruch. Erben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Versehentlich nach dem Tode des Berechtigten ausgezahlte Rente kann nach der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Rechtslage vom Erben nicht mit Bescheid zurückgefordert werden.

2. Die Einführung des § 118 Abs. 4 SGB 6 (i.V.m. § 60 BVG) beruht nicht auf Rechtsgedanken, die Einfluß auf die Auslegung des § 50 SGB 10 nach der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Rechtslage haben.

 

Normenkette

SGB X § 50; SGB VI § 118 Abs. 4

 

Verfahrensgang

SG Darmstadt (Urteil vom 31.01.1996; Aktenzeichen S-5/V-1865/95)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.07.1998; Aktenzeichen B 9 V 11/97 R)

BSG (Aktenzeichen 9 RV 11/97)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 31. Januar 1996 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Rückerstattung überzahlter Rente nach dem Tod der Berechtigten.

Der Kläger ist der Sohn und Miterbe der am 3. März 1993 verstorbenen Witwe des Beschädigten. Der Beklagte hatte bis zum Dezember 1993 Witwenrente an die bis zu ihrem Tode in einem Altersheim lebende und unter Pflegschaft des Klägers stehende Berechtigte bezahlt. Nachdem der Beklagte im November 1993 von dem Tode erfahren hatte, erhielt er die Rentenzahlungen für die Monate November und Dezember 1993 von der Bank der Berechtigten zurücküberwiesen. Die für April bis Oktober 1993 gezahlte Rente in Höhe von 4.413 DM forderte er von dem Kläger und dessen Schwester zurück. Beide lehnten eine Rückzahlung ab, weil das auf einem Sparbuch angelegte Geld für die Wohnungsauflösung, Renovierung und Beerdigungskosten verbraucht worden sei. Eine Klage gegen die Tochter der Berechtigten auf Zahlung von 4.413 DM nebst Zinsen wies das Amtsgericht Rüsselsheim mit Urteil vom 2. Juni 1995 (Az.: 3 C 501/95) als unbegründet zurück, weil eine Bereicherung der Tochter der Berechtigten nicht bewiesen sei.

Daraufhin verlangte der Beklagte mit Bescheid vom 15. August 1995 die Erstattung des Betrages von dem Kläger. Dieser sei als Miterbe und als Rechtsnachfolger Inhaber des Kontos und als Betreuer verfügungsberechtigt gewesen. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 21. August 1995 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 1995 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 24. Oktober 1995 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Er ist der Ansicht, daß der Beklagte die Rentenüberzahlung nicht durch einen Verwaltungsakt zurückfordern könne. Im übrigen sei das gesamte Geld für die Beerdigungskosten verbraucht. Er selbst sei nur zur Hälfte Erbe und deshalb nicht allein verfügungsberechtigt gewesen. Von der Überzahlung der Rente habe er nichts gewußt, er habe mit Schreiben vom 12. März 1993 die Rentenrechnungsstelle über den Tod seiner Mutter informiert. Der Beklagte verweist zur Begründung seines Anspruches unter anderem auf einen Erlaß des Bundesministers für Arbeit vom 21. Dezember 1994, in dem festgestellt ist, daß Rentenüberzahlungen nicht durch zivilrechtliche Rückforderungsansprüche, sondern durch Verwaltungsakte zu erfolgen haben. Mit Urteil vom 31. Januar 1996 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben, weil der Beklagte nicht berechtigt war, mit einem Verwaltungsakt die Rückforderung der über den Tod der Berechtigten hinaus gezahlte Rente zu verlangen. Im einzelnen hat das Sozialgericht ausgeführt, daß nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 29. Oktober 1986 – 7 RAr 77/85; in SozR 1300 zu § 50 SGB 10 Nr. 13) und des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 3. Dezember 1981 – 7 ZR 282/80; in WM 1982 S. 101 f.) für die Rückforderung versehentlich überwiesener Leistungen an einen Dritten nach dem Tode des Berechtigten die ordentliche Gerichte zuständig seien, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis als Grundlage für einen Verwaltungsakt fehle. Die im Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 21. Dezember 1994 (Az.: VI 1/54069/1; in Bundesarbeitsblatt 3/1995, 82) niedergelegte Rechtsansicht beruhe auf einer Fehlinterpretation des Beschlusses des Bundessozialgerichts vom 10. August 1993 (9 BV 4/93; in Breithaupt 1994, 347 ff.), in dem zu der hier streitigen Rechtsfrage nicht Stellung genommen werde.

Gegen das ihm am 29. Februar 1996 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20. März 1996 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Ergänzend begründet er seinen Anspruch mit einem Rechtsgedanken aus § 118 SGB 6. Der Absatz 4 dieser Vorschrift, der durch das Änderungsgesetz vom 15. Dezember 1995 ab 1. Januar 1996 neu eingefügt sei, begründe einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen einen Dritten, dem für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten zu Unrecht Geldleistungen zugeflossen seien. Nach Satz 3 der Vorschrift bliebe ein Anspruch gegen die Erben nach § 50...

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