Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. Genehmigungsfiktion. Drei-Wochen-Frist. Unterrichtungspflicht der Krankenkasse nach § 13 Abs 3a S 2

 

Leitsatz (amtlich)

Der Hinweis der Krankenkasse, dass sie "bereits aktiv sei", jedoch erst endgültig entscheiden könne, wenn sie die noch "fehlenden Informationen des medizinischen Beraters" erhalten habe, vermag den Leistungsempfänger hinreichend deutlich davon in Kenntnis zu setzen, dass eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt wurde und die Krankenkasse aus diesem Grund nicht dazu in der Lage sein wird, die Drei-Wochen-Frist einzuhalten. Die Verpflichtung zur Unterrichtung bezieht sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 13 Abs 3a S 2 SGB V nur auf die Notwendigkeit der Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme als solche, so dass es hierbei keiner konkreten Ausführung bedarf, ob diese Stellungnahme bei dem MDK oder einer anderen Einrichtung bzw Person eingeholt wird. Die Erfüllung der der Hinweispflicht nach § 13 Abs 3a S 2 SGB V erfordert nicht die taggenaue Abschätzung der Dauer des Bestehens des Hinderungsgrundes.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 27. Juni 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin mit einer Myo-Orthese WalkAide zu versorgen.

Die 1966 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Aufgrund eines 2002 erlittenen Hirninfarkts mit rechtsseitiger Hemiparese und Fußheberschwäche besteht bei ihr eine Gehbehinderung mit Unsicherheit und Sturzneigung. Weiterhin wurde bei ihr eine Grand-Mal-Epilepsie diagnostiziert.

Am 14. Januar 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage einer ärztlicher Verordnung der Praxis Dr. C./D. sowie eines Kostenvoranschlags der Fa. E. GmbH in Höhe von 4.726,08 € die Versorgung mit einer Myo-Orthese WalkAide. Die Beklagte fragte daraufhin am 30. Januar 2014 beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) an, ob die beantragte Versorgung medizinisch erforderlich sei. Der Klägerin wurde von der Beklagten am gleichen Tag schriftlich mitgeteilt: "Ihre Anfrage haben wir erhalten. Gerne teilen wir Ihnen mit, dass wir bereits für Sie aktiv sind. Erst wenn wir die fehlenden Informationen des medizinischen Beraters erhalten haben, können wir endgültig entscheiden. Wir benachrichtigen Sie dann umgehend. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis und bitten Sie noch um etwas Geduld." In einer Stellungnahme für den MDK vom 3. Februar 2014 kam der Sachverständige Dr. F. nach Aktenlage zu dem Ergebnis, dass das beantragte Hilfsmittel nicht geeignet und nicht notwendig sei. Es sei nicht zur Behandlung der Krankheit erforderlich und diene auch nicht dem Ausgleich einer Behinderung. Hierfür sei eine konfektionierte Fußheberorthese ausreichend. Ein therapeutischer Nutzen und die Wirksamkeit bzw. Überlegenheit des verordneten Produkts seien nicht belegt. Mit Bescheid vom 13. Februar 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin aufgrund des Ergebnisses der Stellungnahme des MDK ab. Hiergegen legte die Klägerin am 17. März 2014 Widerspruch ein, welchen sie u.a. damit begründete, dass die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) erfüllt seien.

Die Beklagte holte im Widerspruchsverfahren erneut eine medizinische Stellungnahme des MDK vom 8. Mai 2014 ein. Danach könne die Kostenübernahme für das verordnete WalkAide-System nicht als sachgerecht und begründet angeraten werden. Der therapeutische Nutzen des Produkts bzw. die Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Unterschenkelorthesen/Fußheberorthesen seien nicht belegt. Eine medizinische Indikation für diese Versorgung könne nicht nachvollzogen werden. Die Versorgung sei nicht notwendig. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2015 zurück. Zur Begründung führte sie aus, das Hilfsmittel diene nicht dem unmittelbaren, sondern lediglich dem mittelbaren Behinderungsausgleich. Der therapeutische Nutzen und die Wirksamkeit seien nicht belegt. Als Alternative komme eine konfektionierte Fußheberorthese, z.B. im Sinne einer Carbonfederorthese in Betracht. Die Genehmigungsfiktion sei nicht eingetreten, da der ablehnende Bescheid nach der Stellungnahme des MDK innerhalb der einschlägigen 5-Wochen-Frist ergangen sei.

Die Klägerin hat am 14. April 2015 Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Es handele sich bei dem Hilfsmittel um ein solches, welches dem unmittelbaren Behinderungsausgleich diene. Durch die Myo-Orthese WalkAide werde die beeinträchtigte Körperfunktion, nämlich die Fußheberschwäche, ausgeglichen. Im Übrigen sei das begeh...

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