Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung (hier Arzneikostenregress). statistische Prüfmethode. Praxisbesonderheit. offensichtliches Missverhältnis. Einblick. Arzneimittelverordnungen. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten handelt es sich um diejenige Prüfmethode, die gegenüber anderen Prüfmethoden (Einzelfallprüfung, repräsentative Einzelfallprüfung) den Vorzug hat, dass sie die wichtigen Informationen über das statistisch erkennbare durchschnittliche Behandlungs- und Verordnungsverhalten der Fachgruppe einbezieht und nach den Ursachen von erheblichen Abweichungen des geprüften Arztes gezielt fragt (vgl BSG vom 15.11.1995 - 6 RKa 43/94 = BSGE 77, 53 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33).

2. Soweit ein Vertragsarzt auf die Betreuung mehrerer Altersheime hinweist, kann darin keine Praxisbesonderheit gesehen werden.

3. Als Praxisbesonderheit kann nur eine überdurchschnittliche Häufung von Patienten anerkannt werden, die einer besonders teuren Medikamentenversorgung notwendig bedürfen. Es reicht also nicht aus, dass festgestellt wird, dass überdurchschnittlich viele Patienten mit einer sehr teuren Medikation versorgt würden. Zusätzlich ist zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit die Feststellung erforderlich, dass die jeweilige Medikation auch notwendig ist.

4. Die Grenze zum Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses kann bei einer Überschreitung zwischen 40 % und 50 %, aber auch bei einem großen Leistungsspektrum bei 60 % beginnen (vgl BSG vom 2.6.1987 - 6 RKa 23/86 = BSGE 62, 24 = SozR 2200 § 368n Nr 48).

5. Soweit ein Vertragsarzt beanstandet, das er nicht Einblick in alle seine Verordnungen erhalten hat, ändert dies nichts am Ergebnis und der Rechtmäßigkeit eines Regressverfahrens.

6. Der Arzneikostenregress stellt keinen Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG dar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.04.2005; Aktenzeichen B 6 KA 1/04 R)

 

Tatbestand

Es geht in dem Rechtsstreit um Arzneikostenregresse für die Quartale III/97, IV/97 und II/98 in Höhe von ca. DM 19.500,

Der Kläger ist in G als Facharzt für Allgemeinmedizin niedergelassen und als Vertragsarzt zugelassen.

In den streitbefangenen Quartalen entwickelten sich die Praxis des Klägers und die von ihm veranlassten Arzneikosten im Vergleich zur Fachgruppe wie folgt:

Quartal

III/97

IV/97 

II/98 

Patienten

1132 

1286 

1229 

lt. VO-Statistik

1111 

1262 

1199 

(Fachgruppe)

(1048)

(1061)

(1046)

Rentneranteil

41 % 

39 % 

38 % 

(Fachgruppe)

(30 %)

(29 %)

(30 %)

Honorar (je Fall *)

DM 93,76

DM 92,94

DM 97,19

(Fachgruppe)

(DM 102,05)

(DM 102,85)

(DM 102,92)

Arzneikosten M

DM 92,52

DM 90,73

DM 98,70

(Fachgruppe)

(DM 65,87)

(DM 73,48)

(DM 75,81)

Arzneikosten F

DM 61,68

DM 78.-

DM 73.-

(Fachgruppe)

(DM 45,01)

(DM 52,64)

(DM 51,24)

Arzneikosten R

DM 338,28

DM 351,65

DM 366,57

(Fachgruppe)

(DM 192,97)

(DM 222,59)

(DM 219,81)

Arzneikosten (je Fall *)

DM 159,62

DM 164,51

DM 173,47

(Fachgruppe)

(DM 99,46)

(DM 112,57)

(DM 113,54)

Überschreitung

DM 60,16 (60,49 %)

DM 51,94 (46,14 %)

DM 59,93 (52,78 %)

- nach Kürzung

53,45 %

44,01 %

43,54 %

* = gesamt gewichtet

Die Verbände der Krankenkassen in Hessen beantragten am 9. September 1998 hinsichtlich des Quartals III/97 die Prüfung der Arzneiverordnungsweise nach Durchschnittswerten unter Hinweis auf das Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses.

Der Kläger wies vorsorglich auf die Betreuung von 3 Altersheimen und eines Behinderten-Wohnheimes hin. Durch seine Bereitschaft zu Hausbesuchen komme es zu einer Häufung von zu Hause gepflegten schwerkranken Patienten.

Mit Beschluss vom 3. Februar 1999 (ausgefertigt am 10. Februar 1999) setzte der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen einen Regress fest in Höhe von DM 10.- je Fall (M+F+R), abzüglich 13 % = DM 9.604,80. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Durchsicht der Verordnungsblätter i. V. mit den Behandlungsscheinen Unwirtschaftlichkeiten und Einsparungsmöglichkeiten gezeigt hätten. Eine Vielzahl von Beispielsfällen hätten in seiner Anwesenheit direkt durchgesprochen werden können.

Hiergegen hat der Kläger am 10. März 1999 Widerspruch eingelegt und u.a. damit begründet, die statistischen Daten seien unglaubhaft und für ihn nicht nachprüfbar. Bei Einsicht in die 2665 beanstandeten Rezepte hätten am 2.12.1998 nur 1487 Rezepte vorgelegen. Die Rezepterfassung weise gravierende Fehler auf. Bei den 1487 überprüften Rezepten hätten sich für DM 2.084,83 Hilfsmittel befunden. Bei ihm bestehe ein überdurchschnittlicher Anteil an Patienten, die von der Zuzahlung befreit seien. Die Einsparungen hinsichtlich Arbeitsunfähigkeitszeiten und Krankenhauseinweisungen seien zu berücksichtigen.

Die Verbände der Krankenkassen in Hessen beantragten am 22. Dezember 1998 hinsichtlich des Quartals IV/97 die Prüfung der Arzneiverordnungsweise nach Durchschnittswerten unter Hinweis auf das Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses.

Mit Beschluss vom 12. Mai 1999 (ausgefertigt am 1. Juni 1999) setzte der Prüfungsausschuss der...

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