Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittel. Voraussetzungen für Leistungspflicht. Zulässigkeit der Abwägung von Nutzen und Kosten

 

Orientierungssatz

1. Die Leistungspflicht der Krankenkassen im Hilfsmittelbereich setzt voraus, dass das Hilfsmittel nicht nur für den Beruf, sondern zugleich auch immer für andere Bereiche, zB im privaten Bereich und dabei zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse erforderlich ist (vgl BSG vom 26.7.1994 - 11 RAr 115/93 = SozR 3-4100, § 56 Nr 15).

2. Im Rahmen des § 33 SGB 5 ist die Abwägung von Nutzen und Kosten zulässig.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. April 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1976 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger begehrt die Versorgung mit einer Fingerteilprothese aus Silikon (Fingerepithese).

Der Kläger ist im kaufmännischen Bereich berufstätig und arbeitet viel am PC. Er zog sich Ende 2003 in einem Urlaub in Italien eine Quetschung mit Teilabriss des rechten Zeigefinders zu. Der ärztlicherseits unternommene Versuch einer Replantation scheiterte infolge von Nekrosenbildung. Deshalb wurde am 6. Januar 2004 in der unfallchirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses A-Stadt eine Teilamputation des betroffenen Fingers oberhalb des Mittelgliedes durchgeführt. Die Amputation verlief problemlos. Es kam zu einer vollständigen Wundheilung. Die Beweglichkeit des betroffenen rechten Zeigefingers ist sowohl im Grund- wie im Mittelgliedgelenk erhalten.

Unter Vorlage einer von dem Hausarzt und Internisten K. St. unter dem Datum vom 17. Februar 2004 ausgestellten Verordnung beantragte der Kläger am 8. März 2004 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine 1-Finger-Silikon-Prothese (Finger-Epithese) für den rechten Zeigefinger. Der Verordnung war ein Kostenvoranschlag des Sanitätshauses im M.-Center, A-Stadt, beigefügt, die einen Endbetrag für die Versorgung mit der Silikonepithese von 2.368,25 Euro auswies. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Sachverhaltes durch den MDK, welche von der Ärztin Frau Dr. G.-M. auf der Grundlage einer Untersuchung der Handverhältnisse des Klägers durchgeführt wurde. In dem schriftlichen Gutachten vom 26. März 2004 wird ausgeführt, eine medizinische Indikation für die Versorgung mit der begehrten Finger-Epithese liege nicht vor. In der handchirurgischen Literatur werde dem Verlust des Zeigefingerendgliedes und einem Teil des Mittelgliedes keine wesentliche beeinträchtigende Minderung der Funktionsfähigkeit beigemessen. Die wesentliche grobe Funktion der Hand sei durch die Teilamputation des Zeigefingers nicht gestört. Beim Maschinenschreiben würden die verbliebenen Finger die Funktion des fehlenden Zeigefingerendstückes übernehmen, wobei allerdings noch eine Übungs- /Trainingsphase erforderlich sei. Die Rücksprache mit dem Orthopädiemechanikermeister des MDK habe ergeben, dass die gewünschte Finger-Epithese beim Maschinenschreiben mit der PC-Tastatur eher störend sei, als dass sie einen funktionellen Gewinn brächte. Die Silikonepithese würde vor allem einen kosmetischen Ausgleich darstellen.

Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. April 2004 den Antrag ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2004 als unbegründet zurückgewiesen. Die Silikonepithese diene rein kosmetischen Gründen. Durch sie könne die Funktion der Hand und des Fingers nicht verbessert werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 4. Oktober 2004 Klage zum Sozialgericht Darmstadt. Dieses holte einen Befundbericht des Arztes St. vom 25.Sptember 2005 ein, in dem es heißt, nach regelrechtem Heilungsverlauf habe er dem Kläger nach Rücksprache mit den behandelnden Chirurgen eine Finger-Teilprothese aus beruflichen Gründen verordnet. Bei häufiger Tätigkeit am PC sei die Prothese sicherlich erforderlich. Weiter zog das Sozialgericht die Krankenblattunterlagen der Unfallchirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses A-Stadt bei. Aus ihnen ergibt sich, dass die letzte Vorstellung des Klägers dort am 16. Januar 2004 war und bei reizlosen Wundverhältnissen eine Überweisung an den Hausarzt erfolgte. Eintragungen zur Versorgung mit einer Finger-Epithese finden sich darin nicht. Entsprechend dem in der ersten mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2006 getroffenen Beschluss hat das Sozialgericht sodann ein Gutachten von Amts wegen hinsichtlich der Notwendigkeit des Tragens einer Fingerprothese im Hinblick auf das berufliche Tätigkeitsfeld des Klägers von dem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen der Handwerkskammer PW.-Stadt, PW.-Ort und RW-Stadt. für das Orthopädietechnikerhandwerk, Bereich Orthopädiemechaniker, A. F. eingeholt. Der Gutachter erhob den Sachverhalt und den Befund bei einem Besuch des Klägers an dessen Arbeitsplatz bei der Firma I., C-Stadt. In dem schriftlich...

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