Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsminderung. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Anforderungen an Leistungsangebot von Mobilitätshilfen

 

Orientierungssatz

1. Der bloße Hinweis auf eine von Gesetzes wegen mögliche Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kann grundsätzlich nicht als ein "ordnungsgemäßes Leistungsangebot" angesehen werden (vgl BSG vom 21.3.2006 - B 5 RJ 51/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 8). Ein "konkretes Angebot geeigneter Rehabilitationsleistungen" liegt vielmehr erst dann vor, wenn seitens des Rentenversicherungsträgers eine fallbezogene Konkretisierung der im Rehabilitationsrecht vorgesehenen Leistungen vorgenommen wird.

2. Zur Behebung von Mobilitätsdefiziten bedarf es insoweit der Abgabe rechtlich verbindlicher Erklärungen, da nur so die notwendige Konkretisierung der im Rehabilitationsrecht vorgesehenen Mobilitätshilfen erfolgen kann.

3. Der bloße Hinweis auf eine nach der KfzHV mögliche Bewilligung von Leistungen reicht nicht aus, um ein ordnungsgemäßes Angebot von Leistungen zur Teilhabe als gegeben anzusehen (vgl BSG vom 21.3.2006 - B 5 RJ 51/04 R aaO). Denn damit ist gerade nicht gesagt, dass das bei einem Versicherten bestehende Mobilitätsdefizit auch tatsächlich durch geeignete Mobilitätshilfen behoben wird. Hierfür ist vielmehr eine Konkretisierung der von der KfzHV vorgesehenen Leistungen durch eine Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers erforderlich. Erst hiermit und nicht schon mit einem bloßen Hinweis darauf vermag der Rentenversicherungsträger die Rechtslage in einer Weise zu gestalten, dass von einer Herstellung ausreichender Mobilität die Rede sein kann.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.12.2011; Aktenzeichen B 13 R 21/10 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Umstritten ist dabei insbesondere (noch), ob die von der Beklagten erklärte Bereitschaft zur Übernahme der Kosten für Taxifahrten von und zum Arbeitsplatz einem auf die eingeschränkte Wegefähigkeit des Klägers gestützten Rentenanspruch für die Zeit ab 1. Januar 2009 entgegensteht.

Der 1956 geborene Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Elektroinstallateur. Er war von 1975 bis 1979 als Elektromechaniker und von 1979 bis 2004 als technischer (Außendienst-)Mitarbeiter im Servicebereich für Büromaschinen versicherungspflichtig erwerbstätig. Ab 2004 übte der Kläger diese Tätigkeit als geringfügig beschäftigter Servicetechniker in der von seiner Frau betriebenen Firma aus. Anlässlich eines am 20. Juni 2005 erlittenen Arbeitsunfalls (Sturz von der Ladebühne eines Lastkraftwagens) zog der Kläger sich eine Fersenbeinfraktur beidseits zu, in deren Folge sich eine postoperative Wundheilungsstörung anschloss. Der Kläger war nachfolgend arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos und bezog Verletztengeld bzw. Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe. Nach eigenen Angaben ist der Kläger im Besitz eines Führerscheins und eines Personenkraftwagens, welcher ausschließlich von seiner Frau genutzt wird.

Am 14. Februar 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte einen Befundbericht des Arztes für Chirurgie Dr. med. H. vom 1. März 2006 nebst weiteren Krankenunterlagen vor. Auf Veranlassung der Beklagten wurde er daraufhin am 22. Juni 2006 durch den Arzt für Orthopädie - Rheumatologie, physikalische Medizin - Dr. med. TT. untersucht.

Im Rentengutachten vom 28. Juni 2006 diagnostizierte Dr. med. TT. bei dem Kläger eine Belastungseinschränkung beider Beine nach operativ behandelter Fersenbeinfraktur (Juni 2005) mit erheblicher Funktionseinschränkung der Sprunggelenke und Reiz, eine Bandscheibendegeneration C6/C7 mit rezidivierendem Schulter-Arm-Syndrom und pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in beide Arme, einen statisch und muskulär ausreichend kompensierten Rundrücken mit gering verstärkten Gefügestörungen, eine beginnende Osteoporose, eine beginnende bis mittelgradige Coxarthrose beidseits mit geringer Funktionseinschränkung ohne wesentliche Kapselreizung, eine beginnende bis mittelgradige Gonarthrose beidseits ohne Funktionseinschränkung mit geringer Kapselreizung rechts sowie eine Erblindung auf dem rechten Auge nach Verletzung im Kindesalter. Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen mutete Dr. med. TT. dem Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (überwiegend im Sitzen, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 8 kg Gewicht nur ebenerdig, ohne besondere Anforderungen an das beidäugig räumliche Sehvermögen sowie nur in geschlossenen Räumen ohne Einwirkung von Kälte, Zugluft oder Nässe) im zeitlichen Umfang von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr zu. Eine nennenswerte Einschränk...

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