Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenhaus. Entbindungsanstalt. Entbindungseinrichtung. Zulassung

 

Leitsatz (amtlich)

Die von einer Hebamme geleitete Einrichtung zur Pflege und Verpflegung von Wöchnerinnen ist kein Krankenhaus i.S.d. § 371 RVO a.F. Dementsprechend gelten auch die dort für eine Teilhabe an der Versorgung von Versicherten zu erfüllenden Voraussetzungen nicht.

Die Krankenkassen sind wegen des Anspruchs ihrer Versicherten (§ 199 Abs. 1 RVO a.F. bzw. § 197 RVO n.F.) auf stationären Aufenthalt in einer der Entbindungspflege dienenden Einrichtung dem Grunde nach dazu verpflichtet, hierfür entstehende Kosten zu vergüten.

 

Normenkette

RVO §§ 371, 199 Abs. 1 a.F., § 197 n.F.; KHG § 2 Nr. 1; SGB V § 107 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

SG Gießen (Urteil vom 10.03.1989; Aktenzeichen S-9/Kr-1228/86)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 31.01.1995; Aktenzeichen 1 RK 6/94)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen der Klägerin werden die Urteile des Sozialgerichts Gießen vom 10. März 1989 sowie die Bescheide der Beklagten vom 27. August 1985 und 30. Juli 1985 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 1986 und 2. Juli 1986 aufgehoben und festgestellt, daß die Beklagten dem Grunde nach seit 1. Juli 1985 verpflichtet sind, der Klägerin Leistungen für den stationären Aufenthalt von Wöchnerinnen nach der Geburt im Rahmen der leistungsrechtlichen Vorschriften für Versicherte zu vergüten.

II. Die Beklagten haben die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Annahme einer Bereiterklärung über die Leistung von Krankenhauspflege.

Die Klägerin ist Hebamme und betreibt seit 1. Juli 1985 das private Entbindungsheim „…” mit fünf Betten in G.-R. Nach der gemäß § 30 Gewerbeordnung (GewO) erteilten Erlaubnis des Regierungspräsidenten in G. vom 1. Juli 1985 ist die Klägerin zur Durchführung von Entbindungen außer Kaiserschnittentbindungen und stationäre Versorgung der Neugeborenen, Wöchnerinnenheimpflege sowie CTG-Kontrollen bei Schwangeren befugt. Eingriffe, die eine chirurgische oder sonstige besondere Einrichtung voraussetzen, dürfen nicht vorgenommen werden. Die ärztliche Versorgung wird im Wechsel durch verschiedene Gynäkologen sichergestellt.

Mit Schreiben vom 28. Mai 1985 beantragte die Klägerin bei der AOK G. und der Geschäftsstelle der Barmer Ersatzkasse G. die Zusage für eine Übernahme des Pflegesatzes bei stationärem Aufenthalt in ihrem Entbindungsheim. Mit weiterem Schreiben vom 5. Juli 1985 erklärte sie sich gegenüber den Beklagten bereit, Kassenmitgliedern Krankenhauspflege zu gewähren.

Die Beklagten lehnten die Annahme der Bereiterklärung mit Bescheiden vom 27. August 1985 und 30. Juli 1985 (Beklagte zu 2)) sowie mit Zustimmung der Beigeladenen (Schreiben vom 17. September 1985 und 6. August 1985) jeweils ohne Rechtsmittelbelehrung ab. Ein zusätzliches Bettenangebot werde unter bedarfsplanerischen Aspekten nicht für erforderlich gehalten. Im Raum G. seien 12 Krankenhäuser mit gynäkologischen und geburtshilflichen Abteilungen vorhanden. Schwangere hätten deshalb ausreichend Gelegenheit, zwischen mehreren Häusern zu wählen.

Hiergegen legte die Klägerin am 2. Januar 1986 und am 30. Dezember 1985 (Beklagte zu 2)) jeweils Widerspruch ein. Sofern die gesetzlichen Ablehnungsgründe nicht vorlägen, bestehe für die Krankenkassen ein Kontrahierungszwang. Sie leiste ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Entbindungspflege im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen, verfüge über die notwendige technische Ausrüstung für Mutter und Kind, gewährleiste eine ständige ärztliche Rufbereitschaft und erfülle insbesondere durch eine individuelle Betreuung alle Anforderungen, die an eine optimale Geburtshilfe zu stellen seien. Im Vergleich zu anderen Krankenhäusern sei der von ihr geforderte allgemeine Pflegesatz von 120,00 DM zuzüglich 30,00 DM für das Neugeborene, erheblich günstiger. Durch ihre Einrichtung könne auch die bestehende Krankenhausbedarfsplanung nicht gefährdet werden, denn selbst bei zahlenmäßig ausreichend vorhandenen Betten im Bereich der Gynäkologie werde der qualitative Bedarf nicht gedeckt. Die von ihr entwickelte Konzeption eines den Bedürfnissen der Schwangeren bzw. der Wöchnerin entsprechenden Angebots, erfasse der hessische Krankenhausbedarfsplan nicht. Frauen, die sich für eine Entbindung in ihrer Einrichtung entscheiden würden, gingen ohnehin nicht in ein Krankenhaus, so daß diesem bei einer Bereiterklärung der Beklagten auch kein nennenswerter wirtschaftlicher Schaden entstehen könne.

Die Beklagten wiesen die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 16. Mai 1986 und 2. Juli 1986 (Beklagte zu 2)) zurück. Zweck der gesetzlichen Bestimmungen sei es nicht, neben den im Krankenhausbedarfsplan aufgenommenen und damit öffentlich geförderten Entbindungs- und Krankenanstalten ein zusätzliches Angebot weiterer Einrichtungen zu ermöglichen. Diese blieben vielmehr grundsätzlich von der stat...

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