Entscheidungsstichwort (Thema)

Private Pflegeversicherung. Kündigung eines privaten Pflegepflichtversicherungsvertrages nach wirksamer außerordentlicher Kündigung des privaten Krankenversicherungsvertrages. Wegfall des Kontrahierungszwanges

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die außerordentliche Kündigung eines privaten Pflegepflichtversicherungsvertrages ist ausgeschlossen.

2. Ist der private Krankenversicherungsvertrag bei einem Versicherungsunternehmen wirksam aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt worden, kann auch der private Pflegepflichtversicherungsvertrag bei demselben Unternehmen wegen des Wegfalls des Kontrahierungszwanges mit diesem Unternehmen ordentlich fristgerecht gekündigt werden.

3. Die außerordentliche Kündigung des privaten Krankenversicherungsvertrages und die hieran anknüpfende ordentliche Kündigung des privaten Pflegepflichtversicherungsvertrages können in demselben Schriftstück erklärt werden.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 9. November 2020 teilweise aufgehoben, soweit das Sozialgericht die Unwirksamkeit der Kündigung vom 3. Mai 2017 auch insoweit festgestellt hat, als diese als ordentliche Kündigung zu verstehen ist, und das Fortbestehen des Pflegeversicherungsvertrags mit der Servicenummer XXX1 zwischen den Beteiligten auch über den 31. Mai 2017 hinaus festgestellt hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

II. Der Beklagte hat der Klägerin 1/10 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Fortbestand einer privaten Pflegepflichtversicherung streitig.

Die 1939 geborene Klägerin war bei dem Beklagten über ihren Ehemann seit 1. September 1989 als mitversicherte Person privat krankheitskostenversichert und seit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) zum 1. Januar 1995 auch in der privaten Pflegeversicherung mitversichert. Nach der Trennung und Scheidung der Eheleute war die Klägerin seit dem 18. November 1998 als Versicherungsnehmerin bei dem Beklagten mit einem eigenen Vertrag gegen Krankheitskosten und auch pflegepflichtversichert unter der Servicenummer XXX1. Dem Versicherungsverhältnis lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung (Bedingungsteil MB/PPV) in der Fassung gültig ab 1. April 2017 (MB/PPV 2017) in Verbindung mit dem Tarif PVN zugrunde.

Im Januar 2017 stellte der Beklagte im Rahmen einer stichprobenartigen Kontrolle fest, dass auf drei von der Klägerin eingereichten Rezepten kein Abgabedatum der Apotheke notiert war. Der Beklagte nahm daraufhin eine Überprüfung der seit 2016 seitens der Klägerin eingereichten Leistungsanträge vor und stellte hierbei einen ungewöhnlich hohen Medikamentenverbrauch fest. Nach Aufforderung des Beklagten legte die Klägerin einen Medikamentenplan vor. Nach Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht legte die C. Apotheke in A-Stadt, die die Rezepte quittiert hatte, dem Beklagten die Sammelbelege für das Kalenderjahr 2016 vor. Der Beklagte nahm einen Abgleich mit den erfolgten Erstattungsleistungen vor und ermittelte eine enorme Diskrepanz.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2017 erklärte der Beklagte die fristlose Kündigung des Krankenversicherungsvertrages aus wichtigem Grund. Aus demselben Grund werde die Pflegepflichtversicherung beendet. Die Klägerin habe manipulierte Rezepte für nicht bezogene Arzneimittel eingereicht. Sie habe aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zu Unrecht Versicherungsleistungen erhalten. Die Tatsache, Versicherungsleistungen erschlichen zu haben, stelle einen nicht zumutbaren und nicht hinnehmbaren Vertrauensbruch dar, der es dem Beklagten nicht möglich erscheinen lasse, das Versicherungsverhältnis mit der Klägerin weiter aufrecht zu erhalten. Gerade in der Krankenversicherung sei der Versicherer - auch im Rahmen der Kostenerstattung - auf die Redlichkeit des Versicherten bei der Vorlage von Leistungsaufträgen angewiesen, um so auf der Grundlage eines ungestörten Vertrauensverhältnisses und eines gegenseitigen Einvernehmens die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 3. Mai 2017 zu. Über die Rückzahlung von 60.000,- Euro schloss die Klägerin mit dem Beklagten noch am 3. Mai 2017 eine Ratenzahlungsvereinbarung ab.

Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 24. Mai 2019 (Az.: 7 O 262/18; Berufungsrücknahme der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main in dem Verfahren Az. 7 U 92/19) steht fest, dass der Krankheitskostenversicherungsvertrag der Klägerin bei dem Beklagten durch die außerordentliche Kündigung des Versicherers (des hiesigen Beklagten) vom 3. Mai 2017 beendet worden ist (GA Bl. 119, 128). Das Landgericht verurteilte die Klägerin (dortige Beklagte) außerdem zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 60.000,- Euro sowie Prozesszinsen. Den Widerklageantrag der Klägerin (dortigen Beklagten) auf Schadensersatz u...

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