Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zugehörigkeit zu einer berufsständischen Versorgung. Rechtsanwaltsversorgung. Ausschluss der Anrechnung von Kindererziehungszeiten bzw Kinderberücksichtigungszeiten

 

Orientierungssatz

Zur Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Anrechnung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung bei Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Zugehörigkeit zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung (hier: Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.10.2005; Aktenzeichen B 4 RA 6/05 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Kindererziehungszeiten (KEZ) und Kinderberücksichtigungszeiten (BZ).

Die Klägerin wurde nach ihrer Schul- und Hochschulausbildung für die juristische Referendarzeit vom 1. Januar 1994 bis 25. September 1996 bei der Beklagten nachversichert und war anschließend arbeitslos (mit Leistungsbezug). Seit 1. Mai 1997 war sie bei einem Verband versicherungspflichtig angestellt, seit 14. März 1999 befand sie sich im Mutterschutz. Das Kind der Klägerin wurde ... 1999 geboren. Der Vater hat der vollständigen Zuordnung der KEZ auf die Klägerin zugestimmt. Mit Bescheid vom 1. Februar 2002 wurde die Klägerin auf ihren bei der Beklagten am 16. Januar 2002 eingegangenen Antrag wegen ihrer ab 1. November 2001 bestehenden Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI ab 1. November 2001 befreit.

Mit Bescheid vom 28. November 2002 erkannte die Beklagte die Zeit vom 1. Juni 1999 bis 31. Oktober 2001 als KEZ und die Zeit vom 9. Mai 1999 bis 31. Oktober 2001 als BZ an. Die Zeit vom 1. November 2001 bis 31. Mai 2002 könne nicht als KEZ und die Zeit vom 1. November 2001 bis 31. Mai 2002 nicht als BZ anerkannt werden, weil die Anrechnung für Personen ausgeschlossen sei, die von der Versicherungspflicht befreit gewesen seien.

Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, eine Anrechnung sei nicht nach § 56 Satz 4 Nr. 2 SGB VI ausgeschlossen, da die Vorschrift einschränkend auszulegen sei. Die Beklagte wies demgegenüber in einem Schreiben vom 12. März 2003 zur Stützung ihrer Rechtsauffassung auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (vom 22. Oktober 1998 in SozR 3 - 2600 § 56 Nr. 12) hin, dem grundsätzlich gefolgt werde. Danach seien KEZ immer dann anzuerkennen, wenn die berufsspezifische Beschäftigung aufgegeben worden sei und die Befreiung wegen der Ausübung einer berufsfremden, versicherungspflichtigen Beschäftigung - verbunden mit einer Zahlung von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung - keine Wirkung (mehr) entfalte. Dies gelte bei entsprechendem Sachverhalt auch für Erziehungszeiten vor dem 1. Januar 1992. Die Klägerin hielt die Entscheidung des Bundessozialgerichts für nicht überzeugend, da eine Systemabgrenzung nur dort notwendig sei, wo es sich um Bedarfsdeckungsgesichtspunkte handele. Bei der Anerkennung von KEZ handele es sich aber gerade nicht darum, sondern um den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geforderten Familienlastenausgleich. Im Übrigen liege auch kein vergleichbarer Sachverhalt vor, da vorliegend eine Mitgliedschaft von mehr als 5 Jahren Beitragszeiten in der Angestelltenversicherung vorhanden sei.

Durch Bescheid vom 15. August 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei mit Bescheid vom 1. Februar 2002 ab 1. November 2001 nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit worden. Somit könne keine KEZ bzw. BZ wegen Kindererziehung anerkannt werden. Der Anrechnungsausschluss für BZ nach § 57 SGB VI folge den Regelungen des § 56 Abs. 4 SGB VI. Die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Regelungen werde von der Beklagten als Organ der Exekutive nicht in Frage gestellt.

Die Klägerin erhob am 22. September 2003 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage, die durch Gerichtsbescheid vom 24. Juni 2004 abgewiesen wurde. Das Sozialgericht nahm auf die nach seiner Auffassung zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2003 Bezug und führte im Übrigen aus, verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Der Ausschlussgrund der Befreiung von der Versicherungspflicht in § 56 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI habe ebenso wie die Vorgängerregelung des § 28 a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) systemabgrenzende Funktion. Elternteile würden von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung ausgeschlossen, wenn sie nach der Erziehung einem anderen Sicherungssystem angehört haben, dass ihnen einen durch das SGB VI anerkannten - prinzipiell - gleic...

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