Verfahrensgang

SG Kassel (Gerichtsbescheid vom 13.02.1994; Aktenzeichen S-3/U-1309/92)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 13. Februar 1994 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin streitet um die Entschädigung ihres Leberleidens als Berufskrankheit (BK).

Nach ihrer Übersiedlung aus der Volksrepublik Polen in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1976 stellte sie am 21. August 1979 beim Versicherungsamt der Stadt Kassel den Antrag, ihr Leberleiden als BK anzuerkennen. Sie gab an, vom 10. Dezember 1964 bis zum 28. Februar 1965 im Eisenhüttenwerk in Andreashütte – Kreis Oppeln im früheren Oberschlesien beschäftigt gewesen zu sein und führte die Erkrankung auf die Tätigkeit im Magazin der Hütte zurück, in denen sie giftige Farben habe ausgeben müssen, wobei sie täglich acht Stunden deren Ausdünstungen und Dämpfen ausgesetzt gewesen sei. Bei den giftigen Stoffen soll es sich nach dem Schreiben der Klägerin vom 1. Oktober 1979 um Spezialbenzin, Farben (Öl-, Lack-, Spezialfarben), Petroleum, Klarlack, Terpentin und Einlaßfarbe gehandelt haben. Einzelheiten die zu Arbeitsplatz und zu Arbeitsumständen gab sie am 8. Mai 1981 in einer Anhörung vor dem Versicherungsamt der Stadt Kassel zu Protokoll. Sie reichte werksärztliche Unterlagen des damaligen Beschäftigungsbetriebes zur Verwaltungsakte sowie weitere ärztliche Unterlagen, die während ihres Aufenthaltes in Polen erstellt worden waren. Prof. W. Chefarzt der Medizinischen Klinik I des Stadtkrankenhauses Kassel, diagnostizierte nach längerer stationärer Behandlung der Klägerin in den Monaten Mai bis Oktober 1978 eine HBs-Antigen-positive und nach dem sonstigen morphologischen Befund toxische Leberzirrhose, die durch Laparoskopie und Leberbiopsie gesichert sei.

Die Beklagte zog einen Bericht des Prof. W. vom 20. Februar 1990 bei, der die Klägerin ab 29. Mai 1978 behandelt hatte, nachdem zuvor im DRK-Krankenhaus in Kassel das Leberleiden im November 1977 erstmals diagnostiziert und bis Februar 1978 stationär behandelt worden war. Er gab zu bedenken, daß das HBs-Antigen als Ausdruck einer stattgehabten Virus-B-Infektion immer positiv gewesen sei, was eine Virusgenese der Leberzirrhose in den Bereich der Möglichkeit bringe. Laparoskopie und Leberhistologie sprächen mehr für eine toxische Ursache, eine Summationsschädigung beider Möglichkeiten sei nicht von der Hand zu weisen. Der frühere Beschäftigungsbetrieb der Klägerin stellte in den Mitteilungen vom 28. Mai 1980 und 22. November 1982 zunächst eine berufliche Schadstoffbelastung der Klägerin in Abrede. Hierzu legte die Klägerin die Bestätigungen des G. P. und der A.T. vom 1. April 1981 vor, in denen es heißt, sie habe als Lageristin mit Spezialbenzin, Speziallackfarben, Ölen, Ölfarben, Eisenkonstruktionsfarben, Petroleum, Terpentinen und Einlaßfarben zu tun gehabt, habe diese abmessen und ausgeben müssen und sei aufgrund der giftigen Dämpfe erkrankt und ab 9. Januar 1965 bzw. 9. März 1965 in eine andere Abteilung versetzt worden. Der Beklagten gelang es nicht, über die Sozialversicherungsanstalt Warschau eine weitergehende ärztliche Dokumentation zu beschaffen. Sie hörte ihren Technischen Aufsichtsdienst, der mit Stellungnahme vom 20. Mai 1983 die Auffassung vertrat, die Anerkennung des Leidens nach BK-Ziffern 1302 bis 1304 komme nicht in Betracht, da wegen der zu kurzen Expositionszeit vom 10. Dezember 1964 bis 9. Januar 1965 bereits der Zusammenhang fraglich erscheine. Prof. W. erstattete sodann das Gutachten vom 20. September 1983 und ging davon aus, daß die Klägerin 13 Wochen Magazinarbeit verrichtet habe und es zu einer toxischen Leberzirrhose als Folge der Einwirkung von Lebergiften bei dieser Tätigkeit gekommen sei. Die Klägerin sei Nitroverbindungen und halogenisierten Kohlenwasserstoffen ausgesetzt gewesen. Das Leiden solle als BK nach Ziffer 1304 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. ab 24. November 1977 und nach einer MdE von 50 v.H. ab 4. Oktober 1979 Anerkennung finden. Die histologischen Untersuchungsergebnisse hätten jeweils für eine toxische Leberschädigung gesprochen. Die Hepatitis-Serologie weise daraufhin, daß eine Hepatitis B-Infektion abgelaufen sei, die nicht näher datiert werden könne. Die histologischen Befunde sprächen aber gegen eine hepatitische Leberzirrhose. Bei einer denkbaren Summationsschädigung stehe die toxische Komponente eindeutig im Vordergrund. Der Landesgewerbearzt stimmte dem Gutachten mit Stellungnahme vom 9. August 1984 zu.

Die Beklagte zog die Rentenunterlagen der Klägerin von der BfA bei, die u.a. das fachinternistische Rentengutachten des Dr. R. vom 20. Juli 1983 enthielt, der eine komplette, mäßig aktive posthepatitische Leberzirrhose bei der Klägerin diagnostiziert hatte und aus dem Verlauf der Erkrankung den Schluß zog, daß es sich nicht um eine toxische sondern um eine posthepatitische Leb...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge