Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 15.08.1973)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgericht Wiesbaden vom 15. August 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die … 1898 in B. geborene Klägerin ist als Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes anerkannt. Im April 1939 war sie von B., ihrem letzten inländischen Wohnsitz, aus Verfolgungsgründen nach … (China) ausgewandert, von dort 1945 nach den USA übersiedelt und schließlich im Frühjahr 1960 wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt.

Am 15.9.1972 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Zu ihrem Arbeitsleben gab sie an, sie habe vom 1.4.1914 bis 1.10.1919 bei der Firma St. & K. in B., danach vom 1.11.1919 bis 31.12.1921 bei L. B. in B. und schließlich vom 1.4.1922 bis 31.12.1926 bei dem Bücherversand L. in B. als Verkäuferin beschäftigt gewesen. Versicherungsbeiträge seien während ihrer Tätigkeit in Breslau entweder an die LVA Schlesien oder die RfA, während ihrer Tätigkeit in Berlin an die RfA entrichtet worden. Nach ihrer Eheschließung im Februar 1927 sei sie in Deutschland nicht mehr versicherungspflichtig tätig gewesen.

Nachdem die Beklagte die Entschädigungsakten der Klägerin vom Entschädigungsamt B. beigezogen hatte und Konten-Suchaktionen nach Versicherungsunterlagen der Klägerin in ihrem Archiv ohne Erfolg geblieben waren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.3.1973 den Antrag auf Altersruhegeld mit der Begründung ab, daß die Wartezeit nicht erfüllt sei und auch nach § 29 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nicht als erfüllt gelte. Die Zeit vom 1.4.1914 bis 31.12.1926 könne als Versicherungszeit nicht berücksichtigt werden, weil sie weder nachgewiesen noch durch geeignete Beweismittel hinreichend glaubhaft gemacht worden sei. Die Zeit von April 1939 bis Ende Dezember 1949 könne als Ersatzzeit nicht berücksichtigt werden, weil vor der Ersatzzeit keine Versicherung bestanden habe und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 AVG für die Anrechnung der Ersatzzeit nicht erfüllt seien.

Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen diesen Bescheid und trug vor, sie wisse genau, daß während der angegebenen Beschäftigungsverhältnisse Beiträge entrichtet worden seien. Die Versicherungsunterlagen seien ihr anläßlich ihrer Flucht abhanden gekommen. Der Bescheid der Beklagten lasse auch nicht erkennen, ob eine Konten-Suchaktion, insbesondere auch unter ihrem Mädchennamen, durchgeführt worden sei. Auch könne sich die Beklagte nicht auf die Vollständigkeit ihres Archivs berufen, da ihr ein Fall bekannt sei, in dem trotz zunächst ergebnislos verlaufener Suchaktion noch Beitragsunterlagen des betreffenden Versicherten gefunden worden seien. Im übrigen könne sie nach fast 60 Jahren keine Zeugen oder Mitarbeiter mehr ausfindig machen, die über die früheren Beschäftigungsverhältnisse Angaben machen können.

Die Beklagte trug demgegenüber vor, sie habe trotz eingehender Karten-Suchaktionen (nach Stufen 2 und 3, auch unter dem Mädchennamen der Klägerin und ähnlich klingenden Namen) keine Beitragsunterlagen der Klägerin ermitteln können. Die Beitragskonten seien bis auf wenige genau bekannte Ausnahmen, zu denen der Name der Klägerin nicht gehöre, erhalten geblieben. Im Hinblick hierauf könne der Nachweis einer Beitragsentrichtung zur Angestelltenversicherung trotz Fehlens von Unterlagen in ihrem Archiv für den Zeitraum bis 31.12.1922 nur durch Vorlage der gelben Versicherungskarte, für die Zeit danach nur durch Vorlage der Angestelltenversicherungskarten bzw. Aufrechnungsbescheinigung geführt werden.

Mit Urteil vom 15.8.1973 wies das Sozialgericht Wiesbaden die Klage ab. In den Gründen der Entscheidung führte er aus, die Beklagte habe den Rentenantrag mangels Erfüllung der Wartezeit zu Recht abgelehnt. Der behaupteten Beitragsentrichtung zur Angestelltenversicherung stehe das Beitragskonto der Beklagten entgegen, in dem keine Unterlagen der Klägerin hätten ermittelt werden können. Angesichts der Genauigkeit des von der früheren RfA bis 31.12.1922 praktizierten Kontenverfahrens, bei dem die vom Arbeitgeber überwiesenen Beiträge auf einer Kontokarte buchungsmäßig vermerkt worden seien, könne nicht davon ausgegangen werden, daß etwa vorhandene Beiträge nicht ordnungsgemäß verbucht worden seien. Ein Gegenbeweis könne von der Klägerin nur durch Vorlage der gelben Versicherungskarte geführt werden. Nach Einführung des Markenverfahrens ab 1.1.1923 hätten Beitragsmarken in die Versicherungskarte eingeklebt und diese nach 2 Jahren zum Umtausch gegeben werden müssen. Die von der Beklagten durchgeführte Karten-Suchaktion nach Stufen 2 und 3, die auch unter dem Mädchennamen der Klägerin erfolglos sei, sei jedoch ergebnislos geblieben. Die Ersatzzeit von 1939 bis 1949 könne auf die Wartezeit nicht angerechnet werden, da die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 AVG nicht erfüllt seien.

Mit der am 6.9.1973 eingegangenen ...

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