Entscheidungsstichwort (Thema)

Pregomin AS. Eiweißhydrolysate. Arzneimittel. Lebensmittel. Krankenbehandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird ein Mittel nicht wegen seiner heilenden Wirkung eingenommen, sondern zur Vermeidung von in normaler Nahrung enthaltener unzuträglicher Stoffe, so dient es überwiegend der Ernährung und ist grundsätzlich kein Arzneimittel im Sinne des SGB V.

 

Normenkette

SGB V § 27 Abs. 1 S. 1, § 27 AAbs. 1 S. 2 Nr. 3, § 31 Abs. 1 Sätze 1-2, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, § 94 Abs. 1 S. 2, § 13 Abs. 3; AMG § 2 Abs. 1, § 3 Nr. 1, § 43 Abs. 1; LMBG § 1 Abs. 1; SGB IX § 4 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

SG Wiesbaden (Urteil vom 12.08.2003; Aktenzeichen S 2 KR 478/03)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 20.07.2005; Aktenzeichen B 1 KR 39/05 B)

 

Tenor

  • Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. August 2003 wird zurückgewiesen.
  • Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
  • Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für die selbst beschaffte Säuglingsnahrung “Pregomin AS” von Dezember 2002 bis Sommer 2004.

Der 2000 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit Anfang 2002 im Wege der Familienmitversicherung krankenversichert. Er leidet seit dem dritten Lebensmonat an starker Neurodermitis und multiplen Nahrungsmittelallergien. Die Klinik für Kinderheilkunde im Klinikum der D…-Universität hielt aufgrund dessen eine Umstellung der Ernährung auf Hydrolysat-Nahrung für notwendig und empfahl den Eltern unter dem 24. Januar 2002 zunächst nur Pregomin und Muttermilch zu verwenden. Am 4. Dezember 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für das Präparat “Pregomin AS”. Die Beklagte beauftragte hieraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens. Dr. L… führte in seinem Gutachten vom 6. Dezember 2002 aus, der Krankenbehandlungsanspruch umfasse nicht die Behandlung mit Hydrolysat-Nahrungen wie Pregomin. Dies habe das Bundessozialgericht entschieden. Zwar sei im Frühjahr/Sommer 2002 eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinien vorgesehen gewesen, nach der ausnahmsweise eine Verordnung eiweißhochhydrolysierter Elementar-Diäten längstens bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres möglich gewesen wäre, wenn eine Kuhmilcheiweißallergie mit schwerwiegender Symptomatik bei Säuglingen bestünde. Diese geänderten Arzneimittel-Richtlinien seien jedoch nicht rechtskräftig geworden, da sie in anderem Zusammenhang vom Bundesgesundheitsministerium beanstandet worden seien. Hieraufhin lehnte die Beklagte die Kostenübernahme der Hydrolysat-Nahrung durch Bescheid vom 29. Januar 2003 ab.

Hiergegen richtete sich der am 28. Februar 2003 eingelegte Widerspruch. Zur Begründung legte der Kläger einen Bescheid der Bosch BKK vor, wonach diese sich bereit erklärt hatte, gegenüber ihrer Versicherten die Kosten für die erforderliche Hydrolysat-Nahrung für ihren Sohn bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres zu übernehmen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 25. April 2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Pregomin diene ausschließlich der Ernährung und sei als Lebensmittel beziehungsweise Krankenkost definiert. Eine Zulassung als Arzneimittel liege nicht vor. Auch sei Hydrolysat-Nahrung kein Heilmittel, weil sie zum Verzehr und nicht zur äußeren Einwirkung auf den Körper bestimmt sei. Damit entfalle die gesetzliche Grundlage für eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung.

Gegen den zurückweisenden Widerspruch richtet sich die am 13. Mai 2003 vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhobene Klage. Der Kläger ist der Ansicht, die Entscheidung der Beklagten verletze seine Grundrechte. Durch Urteil vom 12. August 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Einsatz von “Pregomin AS” sei dadurch gekennzeichnet, dass er an die Stelle von für den Kläger unzuträglichen Nahrungsmitteln trete. Ursächlich für die heilende Wirkung sei demnach nicht in erster Linie die Einnahme des Mittels, sondern die Vermeidung des in normaler Nahrung enthaltenen Milcheiweißes. Im Vordergrund stehe daher der Ersatz der unzuträglichen Nahrung durch die Hydrolysat-Nahrung und nicht die möglicherweise auch vorhandene heilende Wirkung. Folglich diene “Pregomin AS” überwiegend dem Zweck der Ernährung und sei daher grundsätzlich kein vom Versorgungsanspruch nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) umfasstes Arzneimittel. Ein Anspruch des Klägers ergäbe sich auch nicht aus den lediglich im Entwurf vorliegenden neuen Arzneimittelrichtlinien. Ein Anspruch leite sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) her, da das SGB V insoweit das speziellere Recht sei und dem SGB IX vorgehe.

Gegen das Urteil richtet sich die am 20. August 2003 beim Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Zur Begründung trägt der Kläger vor, ein Leistungsanspruch in Form eines Kostenerstattungsanspru...

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