Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausführungsbenachrichtigung. weitere Behinderung. Dauerrechtsverhältnis. Gesamt-GdB. neuer Verwaltungsakt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine sogenannte „Ausführungsbenachrichtigung” des Versorgungsamtes, mit der ohne Rechtsmittelbelehrung eine weitere Behinderung festgestellt wird, ist ihrer Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X.

2. Diese – im Rahmen eines zum Versorgungsamt bestehenden Dauerrechtsverhältnisses – getroffene Regelung zur Frage der Anerkennung weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen wird gemäß § 96 SGG (analog) Gegenstand des rechtshängigen Gerichtsverfahrens.

3. Im Berufungsverfahren entscheidet das Landessozialgericht insoweit als erste Instanz, d.h. auf Klage und nicht auf Berufung (Anschluß an BSGE 18, 231; 34, 255).

 

Orientierungssatz

Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (weitere Behinderung bzw Verschlimmerung) liegt nicht vor, wenn eine "Kniegelenksarthrose beidseits" und eine "Polyarthrose der Fingergelenke" jeweils allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten sind. Solche leichten Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 10 bzw 20 führen in der Regel nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.

 

Normenkette

SchwbG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 3; SGB X § 31; SGG § 96

 

Verfahrensgang

SG Darmstadt (Urteil vom 07.03.1990; Aktenzeichen S-15/Vb-793/86)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. März 1990 wird zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 3. Mai 1990 abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Feststellung seines Gesamtgrades der Behinderung (GdB) mit 50.

Auf Antrag des Klägers vom August 1984 stellte das Versorgungsamt Darmstadt durch Bescheid vom 13. Dezember 1984 bei dem Kläger nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) als Behinderungen

  1. Rezidivierendes Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürsleiden (Einzel-GdB 30)
  2. Nierenfunktionsstörungen (Einzel-GdB 20)
  3. Schwankender Bluthochdruck (Einzel-GdB 10)

fest und bewertete den Gesamt-GdB mit 40.

Im August 1985 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag und machte eine Verschlimmerung der als Behinderungen anerkannten Gesundheitsstörungen sowie eine Gichterkrankung als weitere Behinderung geltend. Das Versorgungsamt Darmstadt lehnte eine Neufeststellung nach § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB 10) durch Bescheid vom 10. Oktober 1985 ab. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 4. November 1985, eingegangen am 5. November 1985, Widerspruch. Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens holte das Versorgungsamt Darmstadt einen Befundbericht des praktischen Arztes Höpping vom 16. Januar 1986 ein. Den Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt Hessen durch Bescheid vom 28. Mai 1986 als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Juni 1986, eingegangen beim Sozialgericht Darmstadt am 25. Juni 1986, Klage und machte geltend, der Beklagte verkenne, daß als weitere Behinderungen eine Kniearthrose, eine Gicht in den Fingergelenken als Folge der Nierenfunktionsstörung und Beschwerden in der Wirbelsäule hinzugekommen seien. Infolge der Kniearthrose könne er nur noch ca. 300 m laufen und müsse alle 5–10 Minuten Pausen einlegen. Das Treppensteigen sei ihm nur noch mit sehr großen Schmerzen möglich. Wegen der Gicht in den Fingergelenken sei das Greifen eines jeden Gegenstandes schmerzhaft. Der GdB sei deshalb mit 50 festzustellen.

Das Sozialgericht Darmstadt hat von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten des Dr. K. vom 16. September 1986 und auf Antrag des Klägers ein ebenfalls fachorthopädisches Gutachten des Prof. Dr. H., Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, eingeholt. Dr. K. diagnostizierte bei dem Kläger ein degeneratives Lumbalsyndrom, eine Gonarthrose beidseits sowie eine leichte Ellenbogenarthrose rechts ohne Funktionsstörung und äußerte die Ansicht, insgesamt bestehe auf orthopädischem Fachgebiet keine meßbare Minderung der Erwerbsfähigkeit. Von Prof. Dr. H. wurden als Diagnosen eine leichte Genua vara beidseits ohne gonarthrotische Veränderungen, eine Chondropathia patellae beidseits mit beginnender Retropatellararthrose, degenerative Meniscopathie rechts außen, links innen und außen, Knick-, Senk-, Spreizfüße beidseits, eine Polyarthrose der Fingermittel- und -endgelenke sowie eine Harnsäure-Diathese (Gichterkrankung) mit schubweise auftretenden Schmerzattakken in verschiedenen Gelenken mitgeteilt. Prof. Dr. H. verneinte eine erhebliche Steh- und Gehbehinderung und führte aus, lediglich die Polyarthrose der Fingergelenke bedinge einen GdB um 10.

Das Sozialgericht Darmstadt hat in seinem Urteil vom 7. März 1990 die Klage mit der Begründung abgewiesen, von den im Bereich des orthopädischen Fachgebietes diagnostizierten Gesundheitsstörungen könne allenfalls die Polyarthrose der Fingergelenke mit einem Einzel-GdB...

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