Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Nachteilsausgleich. Merkzeichen G. Schmerzattacken. Hirnorganisches Anfallsleiden

 

Leitsatz (amtlich)

Das Auftreten von häufigen Schmerzattacken ist nicht dem hirnorganischen Anfallsleiden nach AHP 2005 Nr 30 Abs 4 gleichzusetzen, weil Anfälle in diesem Sinne nur solche sind, die mit Bewusstseinsverlust oder Sturzgefahr einhergehen.

 

Normenkette

SGB IX § 69 Abs. 4, § 145 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 1; AHP Ziff. 30 Abs. 4; SchwbG § 58 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 28. August 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander für beide Rechtszüge keine Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich “erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen “G„)„ gemäß Ziff. 30 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, Rechtsstand: 2006, (AHP) gegeben sind.

Bei der 1954 geborenen Klägerin war mit Abhilfebescheid vom 18. März 2003 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt worden.

Dem lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde:

1. “Verlust des Geruchssinnes nach Schädelhirntrauma;

2. Halswirbelsäule (HWS)-Syndrom, Schulterarmsyndrom;

3. Hüftgelenksverschleiß;

4. Polyarthrose der Fingergelenke.„

Der Beklagte legte diesen Leiden Einzel-GdB von 20, 20, 10 und 10 zu Grunde. Es wurde des Weiteren das Vorliegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festgestellt.

Den Neufeststellungsantrag wegen Verschlimmerung ihrer Leiden vom 08. August 2004 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 ab. Der Beklagte erweiterte allerdings den bisherigen Leidenskatalog um die Funktionsbeeinträchtigung “Depression„ (5.) und legte diesem Leiden einen Einzel-GdB von 10 zu Grunde.

Mit ihrem Schreiben vom 10. Mai 2005 bat die Klägerin um Überprüfung und teilte mit, sie sei von starken Schmerzen gequält.

Mit Bescheid vom 06. Juli 2005 stellte der Beklagte einen GdB von 40 fest, dem folgender Leidenskatalog zu Grunde lag:

1. “Verlust des Geruchssinnes und rezidivierende Kopfschmerzen nach Schädelhirntrauma;

2. chronisch degeneratives Wirbelsäulen (WS)-Syndrom, Schulterarmsyndrom, WS-Fehlstatik, Osteoporose;

3. degeneratives Hüftgelenksleiden beidseits;

4. chronische Bronchitis;

5. Depression;

6. Polyarthrose der Fingergelenke.„

Der Beklagte versah diese Leiden jeweils mit Einzel-GdB von 20, 20, 20, 10, 10 und 20.

Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 16. Juli 2005, mit welchem sie geltend machte, das Gelenkrheuma sei nicht berücksichtigt. Dieses quäle sie seit ihrem 23. Lebensjahr. Sie erlebe Tage, an denen sie nicht in der Lage sei, sich anzuziehen oder zu pflegen. An Arbeit sei dann nicht zu denken.

Der Beklagte forderte sodann einen Befundbericht des T. I., Arzt für Allgemeinmedizin, V., vom 30. August 2005 an, dem Fremdbefunde beigefügt waren.

Mit Abhilfebescheid vom 12. Oktober 2005 stellte der Beklagte ab 10. Mai 2005 einen GdB von 50 fest, dem folgende Leiden zu Grunde lagen:

1. “Verlust des Geruchssinnes und rezidivierende Kopfschmerzen nach Schädelhirntrauma; Schwindel, Depression mit somatoformer Schmerzstörung;

2. chronisch degeneratives WS-Syndrom, Schulterarmsyndrom, WS-Fehlstatik, Osteoporose;

3. degeneratives Hüftgelenksleiden beidseits;

4. chronische Bronchitis;

5. Polyarthrose der Fingergelenke.„

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 machte die Klägerin geltend, sie sei gehbehindert. Sie bitte zu überprüfen, ob “dieses G im Ausweis berechtigt ist.„

Mit Bescheid vom 20. Januar 2006 wies der Beklagte den Widerspruch, soweit ihm nicht abgeholfen wurde, zurück. Die Voraussetzungen für das Vorliegen des gesundheitlichen Merkmals “G„ seien nach Art und Ausmaß der festgestellten Behinderungen nicht erfüllt. Eine charakteristische Erkrankung der Kniegelenke mit Arthrose oder eine systemische rheumatische Erkrankung vom entzündlichen Typ sei nicht belegt. Die Bezeichnung eines Grundplatteneinbruchs finde sich nur in der Anamnese, von den Orthopäden sei jedoch keine entsprechend schwerwiegende, osteoporotische Folgeerscheinung diagnostiziert.

Dagegen hat sich ihre Klage vom 03. Februar 2006, am 10. Februar 2006 beim Sozialgericht für das Saarland (SG) eingegangen, gerichtet, mit der die Klägerin die Feststellung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen “G„ zu bejahen sind, begehrt hat.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens des Dr. H., Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie, D., vom 27. April 2006. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen hat die Klägerin über Beschwerden aller Gelenke und der WS berichtet, aber eingeräumt, aktuell seien die Schmerzen “...

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