Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht. Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung regelmässiger Jahresarbeitsverdienst. Urlaubsabgeltung. Abgeltungsverbot. Arbeitsunfähigkeit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung einer Urlaubsabgeltung für den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz ist in einem bestehenden Arbeitsverhältnis wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig.

2. Die dennoch in der Vergangenheit anstelle von Freizeit mehrfach erfolgte Zahlung einer Urlaubsabgeltung begründet weder eine betriebliche Übung noch einen sonstigen Anspruch auf Fortsetzung dieses Verhaltens. Dies gilt selbst dann, wenn die Gewährung von Freizeit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsunfähigkeit unmöglich ist (im Anschluß an BAG NZA 1989, 763 ff.).

3. Es ist deshalb ausgeschlossen, bei der vorausschauenden Bestimmung des regelmäßigen Jahresarbeitsverdienstes Bezüge mitzuberücksichtigen, die wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot vom Versicherten nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können.

 

Normenkette

RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 (Fassung bis 31.12.1988); BUrlG §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 3-4, § 13 Abs. 1 S. 3; BGB § 134

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.03.1988; Aktenzeichen S-9/Kr-85/85)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 1988 sowie der Bescheid vom 24. Juli 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 1985 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.

Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung ab 1. Januar 1984.

Der Kläger war vom 1. April 1976 bis 30. Juni 1984 bei der Beigeladenen zu 2) als Apothekenhelfer beschäftigt und unterlag der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit. Versicherungspflicht in der Krankenversicherung bestand wegen der Höhe des erzielten Arbeitsentgeltes bis einschließlich 1983 nicht. Im Dezember 1983 erlitt der Kläger Gehirnblutungen und wurde arbeitsunfähig. Infolgedessen erbrachte die Beigeladene zu 1) Krankenhilfeleistungen. Inzwischen bezieht er Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Nach Erhöhung der Jahresarbeitsverdienstgrenze meldete die Beigeladene zu 2) den Kläger zum 1. Januar 1984 auch zur gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten an.

Die Beklagte teilte der Beigeladenen zu 2) mit Bescheid vom 20. Januar 1984 (Durchschrift an Kläger) mit, daß der Kläger nicht krankenversicherungspflichtig sei. Den beigezogenen Lohnunterlagen habe entnommen werden können, daß der regelmäßige Jahresarbeitsverdienst 1983 insgesamt 48.474,– DM bei monatlichen Gehaltszahlungen von 3.425,– DM, vermögenswirksamen Leistungen von 624,– DM sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld jeweils in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes betragen habe. Da die Jahresarbeitsverdienstgrenze für 1984 46.800,– DM betrage und nach eigenen Angaben hinsichtlich der Höhe der Gehaltszahlungen keine neuen Vereinbarungen mit dem Kläger getroffen worden seien, unterliege dieser auch 1984 nicht der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung. Deshalb werde die vorgenommene Anmeldung des Klägers annulliert.

Am 27. Januar 1984 gab die Beigeladene zu 2) gegenüber dem Außendienst der Beklagten an, daß der Kläger während der gesamten Zeit seiner Beschäftigung überwiegend keinen Urlaub in Anspruch genommen habe. Abgesehen von zwei Kurzurlauben von jeweils acht bis zehn Tagen und dem Jahr 1980, in dem der Kläger seinen Urlaub (28 Tage) angetreten habe, habe er stattdessen Urlaubsabgeltungen erhalten. Für 1984 habe der Urlaubsanspruch nicht mehr finanziell ausgeglichen werden sollen. Die Zahlung eines zusätzlichen Monatsgehaltes im April 1983 sei zum Ausgleich für den im Jahre 1982 nicht genommenen Urlaub erfolgt.

Durch weiteren Bescheid vom 30. Januar 1984 ergänzte die Beklagte ihre getroffene Entscheidung und wies darauf hin, daß der Kläger auch im Jahre 1983 seinen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Arbeitsbefreiung mit Entgeltzahlung nicht wahrgenommen habe. Ihm habe deshalb am 1. Januar 1984 das bis dahin vorbehaltlos gezahlte weitere Monatsgehalt zugestanden, das damit dem regelmäßigen Jahresarbeitsverdienst hinzuzurechnen gewesen sei. Entscheidend sei nicht die Bezeichnung der Zuwendung, sonderen die Regelmäßigkeit der Zahlung.

Nachdem sich der Kläger gegen die Berücksichtigung der Urlaubsabgeltung von 3.425,– DM (Schreiben an die Beklagte vom 9. Februar 1984) gewandt hatte, erteilte diese dem Kläger unter dem 24. Juli 1984 einen weiteren Bescheid, in dem sie erneut eine Versicherungspflicht des Klägers ab 1. Januar 1984 ablehnte. Der Kläger habe regelmäßig wiederkehrend seinen Urlaub „verkauft”, inde...

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