Orientierungssatz

Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Darmstadt vom 14.12.1995 - L 5 V 1221/94, das vollständig dokumentiert ist.

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.10.1994; Aktenzeichen S-11/V-2519/93)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 1994 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) im Verfahren nach § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X).

Der 1938 geborene Kläger hat als Staatsbürger der Republik Kroatien seinen Wohnsitz in diesem Staat. Er beantragte erstmals am 11. Juli 1988 beim Versorgungsamt in Fulda die Gewährung von Beschädigtenversorgung mit der Begründung, er sei als Kind während des 2. Weltkrieges in seiner Heimat schwer geschädigt worden. 1943 sei er mit seiner Familie aus dem Ort T. geflohen und dabei auf eine Bombe oder Mine getreten. Er sei im Bauchraum und an beiden Händen schwer verletzt worden. Wegen dieser Schädigung erhalte er in seiner Heimat Rente als ziviles Kriegsopfer. Zur weiteren Begründung fügte er medizinische Unterlagen und u.a. auch einen Zahlungsbeleg über seine Rente als ziviles Kriegsopfer bei. Nach weiteren Ermittlungen erkannte das Versorgungsamt Fulda mit Bescheid vom 21. Mai 1991 die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem BVG an und gewährte ihm Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - unter Einbeziehung des besonderen beruflichen Betroffenseins - von insgesamt 60 v.H. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, daß die Leistung als sog. “Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG bewilligt werde.

Diesen Bescheid nahm das Versorgungsamt Fulda ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Bescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück. Zur Begründung führte es aus, der Bewilligungsbescheid sei rechtswidrig gewesen, weil der Kläger aus derselben Ursache einen Invalidenrentenanspruch gegenüber seinem Heimatstaat habe. Nach § 7 Abs. 2 BVG aber sei eine solche Doppelversorgung ausdrücklich ausgeschlossen. Da diese gesetzliche Bestimmung bei Erteilung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides nicht beachtet worden sei, müsse dieser Bescheid als rechtswidrig angesehen und zurückgenommen werden. Eine Rücknahme setze zwar voraus, daß das Interesse des Bürgers an der Aufrechterhaltung des Vorteils nicht höher zu bewerten sei, als das öffentliche Interesse des Staates und der Allgemeinheit an der Beseitigung der Rechtswidrigkeit. Die Rücknahme dieses rechtswidrigen Bescheides sei aber aus öffentlichem Interesse geboten. Zugunsten der Interessen des Klägers sei berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen der rechtswidrigen Bescheide zwar allein in den Verantwortungsbereich der deutschen Verwaltung falle, dies führe jedoch nicht zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers. Im Rahmen der gebotenen Ermessensprüfung sei auch die persönliche Situation des Klägers gewürdigt worden; die niedrige Höhe der Versorgung des Heimatstaates könne nicht zu einer Ermessensausübung zu seinen Gunsten führen, weil auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse durch deutsche Verwaltungsentscheidungen kein Einfluß genommen werden könnte. Der Kläger erhob am 31. März 1993 Widerspruch und machte geltend, daß er infolge der Kriegsverwundung nie in der Lage gewesen sei, einen vollständigen Beruf auszuüben und deshalb außerordentlich bedürftig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1993 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte u.a. aus, es sei auch geprüft worden, ob im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens ganz oder teilweise von der Entziehung der laufenden Leistungen abgesehen werden könne. Es sei zwar bekannt, daß der Kläger schon in jungen Jahren schwer geschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Diese Umstände jedoch würden bei Empfängern von Sozialleistungen vielfach zutreffen und könnten bei allem Verständnis für die Lage des Klägers nicht dazu führen, daß lebenslang fortgesetzt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen. Gegen diesen ihm auf diplomatischem Wege durch Vermittlung der Deutschen Botschaft am 5. August 1993 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22. September 1993 Klage erhoben, die zunächst bei der Deutschen Botschaft in Z. und am 14. Oktober 1993 beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangen ist. Er hat die Ansicht geäußert, die Entziehung der Versorgungsleistungen sei rechtswidrig und habe daher nicht erfolgen dürfen.

Mit Urteil vom 28. Oktober 1994 hat das Sozialgericht den angegriffenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es unter anderem ausgeführt, eine Aufhebung der Leistun...

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